Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

ELIAS
(Felix Mendelssohn)
31. August 2014
(Einmalige Vorstellung)

Schleswig-Holstein-Musik-Festival


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Der kleine, aber feine Unterschied

Das Abschlusskonzert des diesjährigen Schleswig-Holstein-Musik-Festivals wird als Event aufgezogen, was zu dem Mammutprogramm der letzten zwei Monate passt – die Handschrift des neuen Intendanten Christian Kuhnt. Über 160 Veranstaltungen werden in der weit gefassten Region von Schleswig-Holstein, Hamburg, im Süden Dänemarks und im Norden von Niedersachsen geboten. Das Festival meldet Rekordauslastungen. „Eine beeindruckende Kulisse“ nennt Ministerpräsident Tosten Albig, Kuratoriumsvorsitzender des Festivals, in seiner Ansprache die voll besetzte, aber keinesfalls ausverkaufte Arena in Kiel. Die hat mit dem geeigneten Aufführungsort für ein Oratorium etwa so viel gemeinsam wie eine Ameise mit einem Heißluftballon. Das Gewusel beim Einlass, die oftmals nicht auffindbaren, obwohl reservierten Eintrittskarten, und die blecherne Akustik lassen kaum an einen schönen Kulturabend denken. Die Arena, eine der größten Veranstaltungshallen Deutschlands, ist neben anderen Großveranstaltungen Austragungsort der Handballspiele des THW Kiel. Somit tragen die Sporthallentribünen genauso wenig zu einer schönen Atmosphäre bei wie das schwüle Klima und die omnipräsente Werbung. Man registriert erleichtert, dass der große Kubus an der Hallendecke ebenso schweigt wie der heidnische Gott Baal, der in Mendelssohns Oratorium Elias so eindrucksvoll wie vergeblich angerufen wird.

Dafür ist der eindrucksvoll große Chor zuständig, der sich aus dem City of Birmingham Symphony Chorus und Schleswig-Holstein-Festival-Chor zusammensetzt. Letzterer ist ein Projekt des Festivals. Rund 500 Sängerinnen und Sänger haben sich für die Chorakademie beworben. Nach einem Vorsingen wurden 150 musikbegeisterte Laien ausgewählt. Simon Halsey und Nicolas Fink fügen die beiden Chöre an Probenwochenenden zusammen und heraus kommt ein Klangkörper, der in allen Stimmlagen kaum Wünsche offen lässt. Man merkt den Choristen ihr Engagement, aber auch die konzentrierte Einstellung jede Minute an. Die Baalsanrufung wird eindrucksvoll ins fanatisch-religiöse gesteigert, und gleichzeitig bleibt der Chor so kultiviert wie bei den deutlich gesungenen Chorälen. Von den großen Chortableaus hebt sich wirkungsvoll das berühmte Denn er hat seinen Engeln befohlen über dich ab, das mit liedhafter Schlichtheit von einem kleinen Teil des Klangkörpers vorgetragen wird. Von einem Event ist angesichts dieser Interpretation keine Spur mehr. Trotz Ausdruck und Ausstrahlung wird hier immer noch der kleine, aber feine Unterschied zwischen Oper und Oratorium beachtet.

Auch das stimmlich so schön homogene Solistenquintett versteht sich bestens darauf. Allen voran Michael Volle, der mit rein musikalischen Mitteln einen eifernden Propheten aus Fleisch und Blut gestaltet. Jedes Wort versteht man aus seinem fein abgerundeten, durchgebildeten Organ heraus. Um seinen kernigen, unforcierten Bariton kreisen die anderen Stimmen wie in einem galaktischen Planetensystem: Darin leuchten zwei Sopransterne. Genia Kühmeier setzt nicht nur im bewegenden Höre Israel einen kleinen Höhepunkt. Aufhorchen lässt auch Hanna Zumsande. Der so angenehm lyrisch-sanfte Tenor von Lothar Odinius kommt partiturbedingt fast zu wenig zum Zuge. Altistin Gerhild Romberger steuert warme, klug gestaltete Alt-Phrasen bei.

Solche Stimmkräfte benötigen eine aufmerksame und ebenso elektrisierende Begleitung, die sie durch das NDR-Sinfonieorchester und das NDR-Jugendsinfonieorchester auch bekommen. Dirigent Thomas Hengelbrock setzt auf die Wirkung von Kontrasten und wortdeutlichem Gesang. Mendelssohns Musik klingt bei ihm unprätentiös-romantisch, darf sich auch gerne in dramatischen Zuspitzungen entladen. Vor allem lebt sie aber durch weiche Legato-Rundungen und schöne Akzente. In den Rezitativen wird auch den Pausen eine große Bedeutung zugestanden. So entwickeln sich die zentralen Aussagen des Oratoriums von resignativer Gottesfurcht bis hin zum letzten Akkord einer feierlichen Glaubensbekundung, dem direkt die ersten lauten Bravorufe und sehr spontane, stehende Ovationen folgen. Der größte Jubel gilt dem starken Chor. Dass das Publikum nach einer ungekürzten, pausenlosen Aufführung noch die Energie aufbringt für einen wirklich langen Applaus, spricht für die Wirkung des Abends. Die Eventjünger sind entweder bekehrt oder haben schon nach dem ersten Teil die Halle möglichst auffällig verlassen.

Christoph Broermann