Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

VERLOBUNG IM TRAUM
(Hans Krása)
18. Oktober 2014
(Premiere)

Badisches Staatstheater Karlsruhe


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Enttäuschte Hoffnung

Die Suche nach dem passenden Schwiegersohn gestaltet sich für so manche Frau Mama recht anstrengend. Zumal dann, wenn in irgendeinem Provinznest das Männermaterial gegen null geht, die Ansprüche hingegen gegen unendlich. Aus der Mathematik ist bekannt, dass diese beiden Extremwerte höchst selten als gleichzeitige Lösung taugen. So geht es auch Marja Alexandrowna, die ihre durchaus ansehnliche Tochter Sina unter die Haube bringen möchte. Was insofern misslingt, als ein zufällig ins traute Heim hereingewehter Fürst sich als zu tatterig erweist; später wird Sina, die eigentlich einem moribunden Phantom-Dichterling verfallen war, als Gattin eines in den Osten versetzten Gouverneurs enden; versteinert, unnahbar und kalt in Herz und Seele. Denn der Fürst machte sich aus dem Staube, nachdem ihm vom Adlatus eingeredet worden war, alles habe er nur geträumt.

Doch dieses Finale wird nur als erzählerische Rahmung eingebracht, denn die Novelle Onkelchens Traum von Fjodor Dostojewski richtet über die Opernvertonung von Hans Krása einen spöttisch-sarkastischen Blick auf Motive, Umstände und gesellschaftliche Zwangsjacken, die im Dreieck von Mutter, Tochter und Heiratskandidat das – in Karlsruhe – freche Spiel bestimmen. Hans Krása, der in Theresienstadt verzweifelt Musik machen musste und in Auschwitz ermordet wurde, galt um 1930 als genialischer, doch schreibfauler Komponist, der den Zeitgeist der ausgehenden 20-er Jahre wie mit einem Kaleidoskop einfängt. Seine Musik wird von der Badischen Staatskapelle unter Justin Brown zwischen spritzigem Schliff und raffiniertem Ungestüm ausgespielt, denn die Musiker zeigen Krásas witzige Ausbeute von Strauss und Mahler, Musette und Strawinski, die er in einem rhythmisch inspirierten Jargon offeriert. Das Werk war 1930 fertig, nach Wirrungen und Absagen wurde es 1933 in Prag uraufgeführt und vor einigen Jahren in Mannheim wiederbelebt. Krásas Kinderoper Brundibár wird viel gespielt.

In Karlsruhe setzt das Regie- und Ausstatterteam Ingo Kerkhof, Dirk Becker und Inge Medert auf das heitere Treibern einer Revue mit Textgirls, komödiantischer Garderobe auch nach Art der Colombina und rotem Samtvorhang hinter der Portalrahmung mit Hunderten von Glühbirnen. Optisch alles reizvoll, die Figurenzeichnung allerdings hätte Kerkhof noch schärfer profilieren dürfen. Zum Beispiel der Fürst, den Jaco Venter zwar ausgezeichnet singt, das Wechselspiel zwischen verblödetem Adeligen und plötzlich aus dem Wachtraum ins Leben zurückkehrenden Mann aber zu wenig kontrastiert. Auch Sina, die prospektive Braut, wird vom neuen Ensemblemitglied Agnieszka Tomaszewska zwar blendend gesungen, aber ein wenig zu brav ausgelebt. Dana Beth Miller gibt der emsig um Haltung bemühten Mutter nachvollziehbare Kontur, Armin Kolarczyk ist ein geschniegelt auftretender Erzähler-Archivar, und Christian Voigt singt und spielt den Verwandten-Vertrauten Paul trotz leichter Erkältung überzeugend.

Ein gelungener Abend, denn die Begegnung mit einem originellen Komponisten lohnt sich, und das Premierenpublikum ist hellauf begeistert.

Eckhard Britsch







Fotos: Falk von Traubenberg