Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

FANTASIO
(Jacques Offenbach)
13. Dezember 2014
(Premiere)

Badisches Staatstheater Karlsruhe


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Ein Prinz ohne Hosen

Komische Oper. Jacques Offenbach hat mit Fantasio ein seltsames Anti-Kriegsstück geschrieben, das zur Entstehungszeit so gar nicht in den Hurra-Patriotismus einer wunderbaren Völkerfeindschaft passte. Armer Komponist. Der eingebürgerte Franzose war als Vaterlandsverräter verunglimpft, die Deutschen hielten es mit ihm nicht anders. Was hat er wohl falsch gemacht mit Fantasio, der Opéra comique, die so fröhlich und gleichzeitig hintergründig jedweden Nationalismus aufs Korn nimmt? Er hat das Stück als zeitlosen Unsinn nach verschiedenen Textvorlagen komponiert, und jetzt können wir uns darüber freuen, dass Dramaturg Bernd Feuchtner die Angelegenheit für das Badische Staatstheater Karlsruhe szenisch neu entdeckt hat.

Bernd Mottl setzt das Ding in eine von Friedrich Eggert entworfene Kulisse, in der ein fiktives Bayern kurz vor dem Ausverkauf steht. Gleichwohl riecht es nach Krieg, denn der Prinz von Mantua hat ein politisch-lüsternes Auge auf das Alpenland geworfen. Bayern bankrott, Mantua will Expansion. Des Königs Töchterlein Theres könnte die Sache richten. Aber sie wirft ein Auge auf den Studenten Fantasio, der sich ihr im Gewand des Narren nähert. Es findet zusammen, was zusammen gehört, aber auf fast philosophische Weise, denn Fantasio hält zuvor eine Friedensrede, die sogar rebellische Jungs befriedet.

Der Regisseur zeigt in munterer Szenenfolge, dass eigentlich alle unreif sind. Auch Fantasio, eine Hosenrolle, die von der jungen Mezzo-Sopranistin Dilara Baştar ebenso charmant wie zielgerichtet ausgelebt wird, will im Schlussbild wohl eher die Nähe der Etablierten suchen, und Theres schaut etwas indigniert auf ihre spontane Liebelei. Dabei singt Ina Schlingensiepen die prägnanten Koloraturen lustvoll aus, sie macht gute Figur im Zwiespalt von politischen Anforderungen und pochendem Herzen.

Die Bühne hat Friedrich Eggert witzig ausgestattet, wir sehen weiß-blaue Rauten, verspielte Fachwerkblenden und morbide Palais-Fassaden, die sich als Vorhang-Illusion entpuppen. Denn Wirklichkeit und Wahn sind identisch. Die Kostüme von Alfred Mayerhofer zitieren Lederhosen und Tegernsee-Trachten, und alles atmet die leichte Ironie über ein Dasein, das sich selbst entlarvt. Denn der Prinz von Mantua, den der gepflegte Bariton Gabriel Urrutia Benet schelmisch-vorzüglich profiliert, ist eigentlich ein kleinkarierter Potentat, der sich schnell fügt, wenn die politischen Umstände gegen ihn sind. Das ist ein wirklich sympathischer Zug, dem auch Renatus Meszar als König von Bayern sowie die Kollegen in den mittleren und kleineren Partien gerne zustimmen. Andreas Schüller beweist mit der Badischen Staatskapelle, warum er als Gastdirigent am Pult steht: Spritzig, transparent und jede Volkstümelei parodierend, spielt das Orchester auf.

Und alle sind darüber glücklich, dass die Drohgebärden ins Leere laufen. Aufgeplusterte Helden haben ausgedient? Jacques Offenbach hat davon leider nur geträumt, wenn wir die Tagesthemen anschauen und irgendwelche Knallköpfe vor neuen Panzern stolzieren sehen.

Die Premiere erhält sehr viel, vielleicht auch nachdenkenden Beifall.

Eckhard Britsch







Fotos: Falk von Traubenberg