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Fakten zur Aufführung 

LA BOHÈME
(Giacomo Puccini)
24. Januar 2015
(Premiere)

Badisches Staatstheater Karlsruhe


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Die doppelte Mimi

Ach wie ist das schön, wenn das Publikum am Ende in heftige Buh-Rufe ausbricht. Die gelten in aller Regel dem Regisseur, in diesem Fall der Regisseurin Anna Bergmann, die am Badischen Staatstheater Karlsruhe Puccinis La Bohème anrichtet, aber nicht hinrichtet. Denn sie will weg von der Klischeevorstellung einer winterlich-kalten Dachstube, in der nicht einmal Holzscheite vorhanden sind, um dem Kollektiv junger Möchtegern-Künstler ein wenig Wärme zu spenden. Puccini war nie in Paris, wohl aber in New York. Also begibt sich das Inszenierungsteam in den dortigen Central Park, um vor dem dortigen Engelsbrunnen die Geschichte einer vor sich hin siechenden Frau zu erzählen, die an ihrer Liebe scheitert.

Mit der Liebe auf den ersten Blick kommt man im Leben nicht sehr weit, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Mimi, von Barbara Dobrzanska mit viel sängerischem Ausdruck ausgestattet, wird hier gedoppelt. Ein kleiner Kunstgriff, der nicht so ganz trägt, weil die Mimin Jana Schulz in der Personenführung zu wenig seelisch kontrastiert wird. Und ziemlich deplatziert wirkt der aufgesetzte Monolog vor dem Schlussbild: Gut gemeint, wenn die doppelte Mimi ihr Dasein reflektiert, aber dermaßen theatralisch vorgetragen, als hätten wir es mit einer griechischen Tragödie zu tun. Schade um die Idee.

Zurück zum Brunnen. Vor ihm, auf ihm und um ihn herum werden die Figuren gruppiert. Ben Baur hat die Bühne akzeptabel gebaut, die zusätzliche Würze durch schemenhafte Video-Zuspielungen von Sebastian Pircher erhält. Die Kostüme von Claudia González Espíndola lassen Amerikanismen wie Westernhüte oder Eichhörnchen-Maskerade des Kinderchors aufblitzen. Und ein Coupé darf auf der Drehbühne nicht fehlen. Mimi darf den Chrysler-Kofferraum als Obdachlosen-Schlafstätte benutzen. Das ist alles recht anschaulich gemacht, aber letztlich auch nicht aufregender als konventionell unter den Dächern von Paris.

Mimi haucht ihr Leben auf einer Parkbank aus. Ihren Rodolfo konnte sie nicht für sich gewinnen; Andrea Shin hat einen großen, formschönen Tenor zu bieten, der sich anfangs ein wenig hineinfinden muss, dann aber enthusiastischen Szenenbeifall erhält. Johannes Willig am Pult der Badischen Staatskapelle lässt den Sängern Zeit, viel dehnende Zeit; ansonsten plustert er den Orchestersatz explosiv auf. Die vielen, allesamt guten Hausbesetzungen führt Ina Schlingensiepen als Musetta mit hell timbriertem Sopran an; Ulrich Wagner hat den Chor gut im Griff.

Friede, Gesundheit, Reinheit und Mäßigung will Emma Stebbins mit ihrem 1873 eingeweihten Bronze-Brunnen symbolisieren. Als Zitat für eine Oper taugt er schon, allerdings ist es mit der Gesundheit der Hauptfigur nicht weit her. Anna Bergmann genießt am Ende das Missfallens-Gewitter, während das Gesangsensemble gefeiert wird.

Eckhard Britsch







Fotos: Falk von Traubenberg