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Fakten zur Aufführung 

EIN SOMMERNACHTSTRAUM
(William Shakespeare)
17. Juli 2014
(Premiere)

Festspiele Herrenchiemsee


Points of Honor                      

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Der Stoff, aus dem die Träume sind

Alljährlich wird das königliche Schloss auf der Herreninsel im Chiemsee, stolz auch bayerisches Meer genannt, kulturelles Zentrum der Region. Die imposante Insel zählt zu den ältesten Siedlungsräumen im Voralpenland. Seit der Klostergründung 630 nach Christus auf der Herreninsel gibt es 1500 Jahre lebendige Kulturgeschichte. Unter anderem brach der Mönch Kyrill von hier auf, um Osteuropa zu christianisieren. Die besondere Ausstrahlung und Anziehungskraft dieses Ortes veranlasste den Dirigenten Enoch zu Guttenberg und seinen Dramaturg Joerg Schönmetzler im Jahr 2000 zur Gründung der Festspiele Herrenchiemsee. Ein Konzeptfestival soll es sein, das der besonderen Ausstrahlung und Geschichte des Ortes mit dem Anspruch höchster künstlerischer Qualität und unverwechselbarem Profil Rechnung trägt. Son et Lumière ist das diesjährige Festspielmotto, und in zwei Wochen wird ein Programm aus Orchester- und Kammerkonzerten präsentiert. Internationale Klangkörper und das heimische Orchester der Klangverwaltung sowie Solisten und Sänger treten auf und spielen Meisterwerke des Barock, der Klassik bis zu Arthur Honegger an verschiedenen Orten.

Schon die Anreise mit dem Schiff ist besonders und hilft den Alltagsstress schnell zu vergessen. Munter weht ein leichtes Lüftchen an diesem warmen Sommerabend und gibt angenehme Kühlung. Langsam löst sich das Schiff vom Kai und bringt seine vornehme Fracht über den Chiemsee zum Märchenschloss. Wie dem Erbauer, der menschenscheue bayerische Märchenkönig, ist es dem Konzertpublikum vergönnt, auf der Insel fernab der Touristenmassen zu wandeln und sich im Schlossgarten in der Abendsonne auf das Konzert einzustimmen. Ein Sommernachtstraum draußen wie drinnen steht an. Vorbei an den brokatbehangenen, vergoldeten Empfangsräumen und durch Ludwigs monumentales Schlafzimmer gelangt man in den Spiegelsaal, der an Prunk und Größe dem Vorbild Versailles in nichts nachsteht. Der künstlerische Leiter der Festspiele, Enoch zu Guttenberg, selbst Schlossherr, hat sich über die letzten Jahre ein Stammpublikum erobert, das sich erwartungsvoll in den Prunkräumen des Schlosses einfindet. Seit vielen Jahren ist er der Region verbunden. 1967 übernahm er die Leitung der Chorgemeinschaft des benachbarten Neubeuren. Dreißig Jahre später kam die Leitung des freien projektbezogenen Orchesters Klang-Verwaltung dazu. Beide Institutionen bestreiten den Abend, der mit der Siebten Symphonie A-Dur von Ludwig van Beethoven eingeleitet wird. Der Meister komponierte sie in den Wirren der Napoleonischen Kriege und der Besetzung Wiens. Richard Wagner nannte sie einst aufgrund der schwungvollen Melodie und Rhythmik eine Apotheose des Tanzes.

Schwungvoll nimmt Hausherr und Dirigent Enoch zu Guttenberg die Stufen aufs Podium und führt sein Orchester in die Schlacht. Leise und stimmungsvoll beginnt die ruhige Einleitung, um dann an Volumen und Präsenz deutlich gesteigert zu werden. Dabei feuert der Dirigent das Orchester mit umfangreicher sportlicher Gestik an, der sich die Musiker nur zu willig anschließen. So verlieren die lyrischen Momente der Komposition ihre Wirkung, vieles erinnert an Marschmusik. Das Finale wird zum Triumph über die Herrschaft Napoleons. Aufrecht steht der Maestro vor dem Orchester, den Taktstock wie das Siegesbanner haltend und treibt die Streicher an. In der Euphorie reißen dem Konzertmeister die Saiten seiner Violine, die er schnell mit seinem Kollegen austauscht, um den Jubel fortzusetzen. Mächtig, in vollem Orchesterklang hallt es beeindruckend durch den Saal und reisst das Publikum mit. So wurde auch das Werk Beethovens bei seiner Uraufführung zur Siegesfeier interpretiert und auch zu seinem größten Erfolg.

Nach der Pause steht Felix Mendelssohn Bartholdys meistgespieltes Werk Ein Sommernachtstraum auf dem Programm. Die Overtüre des zweiteiligen Musikwerkes komponierte er im Alter von 17 Jahren. Den Stoff und die Idee bekam er von seinem Großvater, der auch eine Übersetzung des Werkes schuf. Erst 16 Jahre später komponierte er die mehrsätzige Bühnenmusik auf Wunsch des preußischen Königs Wilhelm IV. An diesen Abend wird eine besonders konzipierte Fassung aus Textlesung und Ballettmusik präsentiert.

Der international gefeierte Schauspieler Klaus Maria Brandauer erweckt die Geschichte zu Leben und schlüpft im Laufe des Abends überzeugend in jede Rolle. Er mimt die glücklosen Liebespaare, den selbstgefälligen Elfenkönig Oberon sowie dessen spröde Frau Titania genauso gekonnt wie den dümmlichen, Verwirrung stiftenden Puck oder die tolpatschigen Handwerker. Nicht nur die unglaubliche Vielfalt seiner Stimmvariation, sondern auch Mimik und Gestik sind faszinierend, und jedes Wort ist verständlich wirkungsvoll. So wird die Interpretation zum Schauspiel mit Musik. Enoch zu Guttenberg lässt hier die Ouvertüre sehr fragil, leicht und tänzerisch wirken. Die verschiedenen Instrumentalsoli sind ausgeprägt, das Tempo bleibt flott, aber nicht gehetzt. Im Wechselspiel mit dem Redner bleibt das Orchester sehr zurückhaltend und malt das gezeichnete Spiel Klaus Maria Brandauers mit klaren feinabgestimmten Farben aus. Dabei ergänzen die Chorvereinigung Neubeuern und die Gesangssolistinnen Susanne Bernhard, Sopran, und Sarah Ferede, Mezzosopran, mit ihren Stimmen die Farbpalette. Das bleibt nicht ohne Wirkung in den Zuschauerreihen, die alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem, herzhaften Applaus feiern.

„Segne diesen Ort“ ruft Klaus Maria Brandauer während seines Vortrages in den Saal, und so fühlt es jeder Besucher am Ende dieses Abends. Vorbei am Bett des Königs, über die Prunkstiege verläßt er diesen einmaligen Rahmen nach Einbruch der Nacht und läßt den Abend an Deck im Gespräch mit anderen begeisterten Zuhörern ausklingen.

Helmut Pitsch

Fotos: Festspiele Herrenchiemsee