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Fakten zur Aufführung 

MACBETH
(Giuseppe Verdi)
17. Juli 2015
(Premiere am 3. Juli 2015)

Opernfestspiele Heidenheim

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Hexentänze auf der Schwäbischen Alb

Mächtig trotzt das Schloss Hellenstein, mehr Burg oder Befestigungsanlage, auf dem Fels und gebietet über die Stadt Heidenheim, eine Industriestadt und Synonym für die deutsche Wirtschaftskraft des Mittelstandes. Ein Wandelpark umgibt die Anlage und über die alten Zugbrücken erobert der Gast den Schlossberg und die Ruine des ehemaligen Rittersaals, romantischer Schauplatz der Open-Air-Opernfestspiele Heidenheim. Mit Naturtheater und Kongresshaus als Ausweichquartier in unmittelbarer Nähe hat sich hier ein weiterer Kulturhügel für Opernfreunde entwickelt.

Seit 2010 ist Marcus Bosch, derzeit GMD des Staatstheaters Nürnberg und ein gebürtiger Heidenheimer, der künstlerische Leiter der Festspiele und hat künstlerisch, aber auch vermarktungstechnisch neue Impulse gegeben, unter anderem ein Opernzelt im Schlosspark für die Jugend oder das Leitmotiv OH! als neue Identität für alle Beteiligten. Die Gemeinde, das Land Baden-Württemberg und die heimische Wirtschaft unterstützen tatkräftig die erfolgreiche Weiterentwicklung der Festspiele, die bereits zum 51. Mal stattfinden. Dieses Jahr verlegt Marcus Bosch und das Regieteam um Hermann Schneider passend das mittelalterliche grausame und mystische Schottland in die mittelalterliche Schlossruine auf der schwäbischen Alp.

Noch türmen sich die letzten Regenwolken über den grasbewachsenen, verfallenen Burgmauern, vereinzelte Windböen spielen mit den dekorativen Gerüstplanen auf der schmalen Bühne, aber am Horizont erahnt man das kommende Abendrot. Ein stimmungsvolles Naturbild zu Beginn, wie es nicht besser hätte inszeniert werden können. Mitten auf der spartanischen Bühne steht ein turmartiger Holzbau, an einen Grenzwachturm erinnernd, dessen Inneres golden ausgekleidet die königlichen Gemächer und Glanz versinnbildlichen soll. Richtig schlüssig wird dieser aber nicht eingesetzt. Rockig, in Lederjacken und Rock oder Leggins mit wilden Mähnen oder Fledermaushauben à la Batman schleichen die Hexen auf die Bühne, durchgemischt gestikulierend. Bestens vorbereitet von Petr Fiala, überzeugen hier die Mitglieder des tschechischen Philharmonischen Chores Brünn auch mit Spielfreude. Schon umkreisen die Hexen den mit Banco erscheinenden Macbeth, um sein heil- und unheilvolles Schicksal zu verkünden. Der Koreaner Antonio Yang präsentiert sich in der Titelrolle wechselhaft. Es gelingen ausdrucksstarke und lyrisch feingliedrige Passagen, dann wieder wirkt seine Stimme trocken und belegt. Seine machthungrige Gattin gestaltet die körperlich sehr präsente Melba Ramos. Nach anfänglicher Verhaltenheit gelingt ihr die dramatische Darstellung, ihre Stimme nimmt leicht die Höhe und bleibt geschmeidig in der Führung. Florian Spiess lässt sich zu Beginn als Banco wegen einer Lebensmittelvergiftung ansagen und wirkt auch angeschlagen geisterhaft. Demos Flemotomos findet sich auf der Bühne als Macduff verloren, von der Personenregie kaum erfasst. Aber er gewinnt mit seiner hingebungsvoll mit Schmelz verzierten Arie kräftigen Szenenapplaus.

Das Orchester sitzt in dieser Open-Air-Kulisse dicht gedrängt in einem richtigen Orchestergraben, welches das Live-Opernerlebnis positiv verstärkt. Festspielorchester sind die Stuttgarter Philharmoniker, die sich für diese Aufgabe gut vorbereitet und eingestellt haben. Die bei Verdi wichtigen Bläser erfüllen ihre Aufgabe sicher, und wenn nötig, wird kräftig geschmettert, ganz im Sinne Verdis. Die Streicher werden von Marcus Bosch zurückgehalten. Ihm liegt an einer romantischen weichen Klangfärbung, und er versucht so, seine psychologische Deutung, den inneren Verfall des Titelhelden und seiner Gattin zu artikulieren. Die Gräueltaten, die wilden mystischen Hexen oder Schlachten werden in dieser Inszenierung einer symbolhaften Deutung der Handlung eingegliedert. Auch das Tempo bleibt bedächtig, im Vorspiel besonders breit, der Zuhörer wird langsam zur Handlung hingeführt, aber auch nicht mehr losgelassen. Zusammen mit den sich steigernden Leistungen der Sänger gelingt ein berührender und musikalisch überzeugender Abend.

Das lokale Publikum spendet viel Applaus, versetzt die metallene Tribüne mit Trommeln lautstark in Schwingung. Mittlerweile breitet sich ein sternenklares Firmament über den Schlosshügel aus, und sichtlich zufrieden verlassen die rund 800 Zuschauer den Ort der Grausamkeiten und wandeln durch die Parkanlage nach Hause.  

Helmut Pitsch

 



Fotos: Thomas Bünnigmann