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Durch dick und dünn
Tiefgründig ist sie nicht, die Neuinszenierung von Mozarts Le Nozze di Figaro, auch wenn ihr der Heidelberger Operndirektor psychologisches Feingefühl testiert. Doch wird die Oper von Regisseurin Nadja Loschky mit Tempo, Witz und allerlei Slapstick-Elementen auf die Bühne gebracht. Für die zitiert Ulrich Leitner die bräunlichen Holzverkleidungen des Foyers im vor wenigen Jahren neu aufgebauten Theater. Selbiger Eingangshalle wurde schon bissig der Charme eines evangelischen Gemeindehauses zugeordnet, so dass sich die Akteure in einem braven Umfeld bewegen: Graf Almaviva hat vielleicht sein trautes Heim so seltsam renoviert, wie er selbst auch ein komischer Vogel ist. Oder positiv ausgedrückt: Der Mann, dessen Bildnis mit Ordensschärpe reihum die Wohnstube ziert, hat wenig Geschmack. Das passt, denn von adligem Stolz kann keine Rede sein, wenn er seinen obsessiven Hang zum Dienstpersonal ausprobiert.
Doch auch da ist er nur mittelmäßig, kurzum ein ziemlicher Loser. Insofern hat die Regisseurin diese Figur mit schillerndem Feinstrich gezeichnet, und Ipča Ramanović ist ihr williger Apologet mit quirligem Spiel und einem beweglichen, gut timbrierten Bariton, der dem Grafen Kontur gibt. Wie überhaupt die musikalische Darstellung sehr passabel ausfällt. Elias Grandy, der neue, aus Darmstadt kommende Generalmusikdirektor, legt in der Ouvertüre mit dem gut aufspielenden Orchester ein knackiges Tempo vor und überzeugt, obwohl da schon die Figuren der Handlung auf der Bühne hin und her eilen. Das ist modern geworden, in der guten alten Zeit vertraute die Regie auf die Kraft der Musik, ehe das heitere Spiel beginnt. Die Regisseurin, rank und schlank, hat in der hier besuchten Vorstellung die Gräfin szenisch dargestellt, während Iris Kupke von der Seite aus hinzu singt. Dieser Kniff hat sich bewährt, er kaschiert sehr gut den krankheitsbedingten Ausfall der eigentlichen Besetzung, denn Iris Kupke, die diese Partie auch schon am renommierten Nationaltheater Mannheim präsentiert hat, macht ihren Part ausgezeichnet. Im Nachbarort wird man fündig, weil Katharina Goeres dort schon die Susanna gesungen hat, auch sie eine Einspringerin. Ihr beweglicher, variabler Sopran und die Leichtigkeit ihres Spiels überzeugen.
Die Männer werden eher zwischen tatterig wie Bartolo, Wilfried Staber mit gewohnt stabilem Bass, und jovial gerundet wie Basilio dargestellt, von Winfrid Mikus mit robustem Tenor ausgestattet. Die Titelfigur ist mit James Homann besetzt, dessen Bariton und Präsenz fast zu gewichtig für diese Partie scheinen. Doch nimmt er seine Leidensgeschichte um die Liebe zu Susanna, die letztlich in einer Hochzeit mündet, ganz naiv und entspannt an. Auffallend der schillernde Springinsfeld Cherubino mit dem Counter Kangmin Justin Kim, und die Marcellina, der Carolyn Frank schräge, skurrile Züge beimischt, sowie David Otto als Gärtner, dem seine zerrupfte Pflanzenwelt richtig zu Herzen geht, unter dem sich ein beachtliches Embonpoint wölbt.
Was will uns diese Produktion sagen? Zuerst, dass in Heidelberg auch unter dem neuen GMD qualitätsvoll musiziert wird, denn Grandys Aufmerksamkeit für die Sänger und die variable musikalische Mimik über die ganze Vorstellung hinweg sprechen für ihn und fürs Haus. Zum zweiten, dass Mozart ein munteres Verwirrspiel um Liebe und Intrige geschaffen hat. Die weitergehende, politisch-gesellschaftliche Dimension um Adels- und Herrschaftskritik kommt allenfalls so subkutan vor, dass sie nicht bemerkt wird.
Heidelbergs Publikum schenkt „seinem“ Ensemble viel Beifall.
Eckhard Britsch
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