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Fakten zur Aufführung 

ABENDS AM FLUSS/HOCHWASSER
(Johannes Harneit)
6. Februar 2015
(Premiere)

Theater Heidelberg

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Verstörende Zusammenschau

Vorab: Komponist und Dirigent Johannes Harneit, sein Librettist Gero Troike und Regisseur Peter Konwitschny haben sich am Theater Heidelberg Großes vorgenommen, denn – Hand aufs vibrierende Herz – ganz offensichtlich soll mit der Doppeloper Abends am Fluss/Hochwasser Welttheater neu erfunden und präsentiert werden. Eine verstörende Zusammenschau als Panoptikum mit Figuren, die auch zur Parodie ihrer selbst werden. Personen erzählen sich abends am Fluss ihre Geschichten, sie sind Archetypen, die die Widersprüchlichkeiten der letzten 100 Jahre in sich vereinen. Und im zweiten Teil Hochwasser, eine skurrile Begegnung zweier Koffer in klaustrophobischer Kellersituation, feiert auch das satirische Element fröhlich Urständ. Ja, es darf bei allem Ernst, den Johannes Harneit in seine mitunter quälend gestrickte Musik legt, sogar gelacht werden.

Es werden weder Mühen noch Kosten gescheut für diese Uraufführung. Das Orchester im großen Saal ist geteilt, es wird mit Dietger Holm ein Co-Dirigent gebraucht und der durch die Versenkung auf- und untertauchende Chor leistet unter Anleitung von Anna Töller wirklich Erstaunliches. Wie auch die von zwei Schild-Wachhäuschen mit Erzählern eingerahmten Figuren zwischen Sigmund Freud, Kriegsveteran, Wunderkind und Rosa Luxemburg. Denen mutet der Komponist gelegentlich auch Garnituren aus Vierteltönen zu. Dennoch wirkt sein textbezogener Gesangsduktus durchaus plausibel, und die Orchesterbehandlung ist von griffiger Prägnanz. Die grundlegenden Typen wie Mann – Angus Wood, und Frau – Irina Simmes, sind glänzend besetzt, ihnen zur Seite Tomas Möwes, Namwon Huh, Winfrid Mikus, Nico Wouterse, Carolyn Frank und Hye-Sung Na: Sie beherrschen ihre Rollen vom Greis bis zum Hund, vom Schatten bis zur inneren Stimme. Ein vielschichtiges Panorama zieht da vorüber und lädt mit oft grellen, musikalischen Pointierungen zum Nachdenken ein.

Hochwasser wird im anschließend Alten Saal gespielt. Beide Säle stehen im rechten Winkel zur Bühne und eröffnen interessante Möglichkeiten. Die sind Harneit und Konwitzschny plus Bühnenbildner Helmut Brade sehr willkommen, denn jetzt ist das Orchester mittig platziert. Der schwere Koffer und der leichte Koffer definieren in einer imaginierten Kellersituation einen unwirtlichen Unort, der die Katastrophen dieser Welt ins Zwiegespräch verdichtet. Grandios die beiden Sänger Wilfried Staber und Ipča Ramanović und die darstellerische Viola-Kunst von Marianne Venzago. Allerdings geht dem Komponisten hier die Luft aus, die Musik mährt immer mehr und verliert sich im selbst zentrierten Glasperlenspiel.

Die Oper Leipzig hat sich 2011 wegen interner Querelen einschließlich Intendantenwechsel die Gelegenheit entgehen lassen, dieses Exempel zeitgenössischen Musiktheaters mit metaphorisch-politischem Anstrich herauszubringen. Das Theater Heidelberg hat keine Berührungsängste, weil es um sein aufgeschlossenes Publikum und um seine künstlerische Kraft weiß. Das ehrt das Haus. – Wie zur Bestätigung erhalten Intendant Schultze und Operndirektor Germeshausen aus der Hand von Frank Harders-Wuthenow die Urkunde für den Preis der deutschen Theaterverlage. Unverwechselbares Profil sowie Nachhaltigkeit und Vielfalt am und im Theater werden damit gewürdigt.

Eckhard Britsch

 



Fotos: Annemone Taake