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Fakten zur Aufführung 

TOSCA
(Giacomo Puccini)
2. Oktober 2014
(Premiere)

Staatsoper Hannover


Points of Honor                      

Musik

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Im Folterregime

In Hannover wird eine Oper präsentiert, die spannend ist, mitreißend, grausam, echt. Das Regieteam Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka, die auch für die Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnen, transformieren die Oper Tosca in die kommunistische Welt – Verhöre und Folterszenen eingeschlossen. Letztgenannte ereignen sich im Keller eines imposanten grauen Gebäudes mit mehreren Stockwerken und lauter Türen – bühnentechnisch ein genialer Einfall. Besonders grausam ist der Folterkeller im Erdgeschoss, dessen weiße Kacheln blutverschmiert sind und in dem die Polizisten Mario Cavaradossi ein Geständnis abringen wollen, während Tosca der Szene aus dem Obergeschoss durch ein Sichtgitter folgen kann. Der uniformierte Scarpia hat sie fest in der Hand und fordert von ihr alles, was sie geben kann, während rechts und links vom Zimmer die Schreibmaschinentasten klackern. Denn hier arbeiten die Geheimdienstmitarbeiterinnen ihrem obersten Boss zu. Die Regisseurinnen lassen zwar Tosca und Cavaradossi im Mittelpunkt stehen, aber es geht um viele weitere politisch Verfolgte, die in den Kellern gefoltert werden. Die Liebesgeschichte rückt deshalb in den Hintergrund, und es gibt wenige Möglichkeiten, mit den Protagonisten menschlich vertraut zu werden. Nichtsdestotrotz berührt die Oper enorm.

Das ist besonders den Hauptdarstellern zu verdanken. Was für eine Entwicklung, die Brigitte Hahn als Tosca durchmacht! Im ersten Akt noch eher zurückhaltend, gibt sie im zweiten Akt eine emotionsdurchdrungene, starke Tosca, die voller Wut und Entschlossenheit dem Polizeichef Scarpia die Kehle durchschneidet. Nur um gleich danach mit schmerzlich berührtem Sopran den Mord nur schwer glauben zu können. Ein großartiger schauspielerischer Moment ist diese absolute Ungläubigkeit, als ihr geliebter Cavaradossi nicht nur zum Schein, sondern tatsächlich erschossen wir. Rafael Rojas als der Maler Mario Cavaradossi gerät in die grausame Polit-Maschinerie, die aus einem Künstler einen Todgeweihten macht. Mit großem, sicher geführtem Tenor befiehlt er Tosca, stark zu bleiben und muss diese Weisung trotzt Stromschlägen auch selbst befolgen. Angeordnet werden sie von Baron Scarpia, den Brian Davis verkörpert. Er findet sich ausgezeichnet ein in die Rolle dieses widerlichen, macht- und mordhungrigen, sadistischen und eiskalten Polizeichefs. Mit autoritärem Bariton versucht er, sich Tosca gefügig zu machen – und scheitert. Auch die anderen Sänger geben ihren Rollen viel Größe, angefangen von Michael Dries als voluminöser Angelotti, Daniel Eggert als pointierter Messner und Scarrione, Ivan Turšić als fieser Spoletta bis hin zur leidenden Stella Motina als Marchesa Attavanti, die lebendig gewordene Zeichnung, die statt des Hirten auftritt.

Die wenigen Stellen des Chors, Extra- und Kinderchors, einstudiert von Dan Ratiu, überzeugen absolut. Auch das Staatsorchester unter Dirigent Mark Rohde bietet musikalischen Hochgenuss. Von heiter, mit dem Wissen, dass der Schein trügt, bis hin zu bedrohlich und schmerzlich klingen die Melodien Giacomo Puccinis durch das Opernhaus.

Am Ende gibt es viel Applaus für das Sängerteam und das Orchester, vereinzelte Buhrufe für das Regieteam.

Agnes Beckmann