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Fakten zur Aufführung 

CASTOR UND POLLUX
(Jean-Philippe Rameau)
4. Oktober 2014
(Premiere am 28. Juni 2014)

Staatsoper Hannover


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Konzentration aufs Innere

Geschwisterliebe, Hass und Eifersucht: Jean-Philippe Rameaus Oper Castor und Pollux bietet den Stoff für ein gefühlvolles, verzwicktes Drama. Castor und Pollux, zwei sich nahe stehende Brüder, lieben dieselbe Frau, Télaïre. Diese ist glücklich mit Castor vereint, der wiederum von ihrer Schwester Phébé geliebt wird. Castor wird im Krieg getötet, und die verzweifelte Télaïre bittet Pollux inständig, den sterblichen Bruder Castor mit Hilfe seines Göttervaters Jupiter aus der Unterwelt zurückzuholen. Er willigt ein, und der gerührte Jupiter holt beide wieder aus der Unterwelt zurück – um sie als Sternenbild Zwillinge wieder am Himmel zu vereinen.

Regisseur Alexander Charim setzt auf ein karges Bühnenbild, auf dem sich die Protagonisten ganz ihren Gefühlen hingeben können. Die Bühne, an drei Seiten von Wänden umgeben, wird zur Projektionsfläche aller emotionalen Ausbrüche ebenso wie zur undurchdringbaren Grenze. Denn die Wände begrenzen auch die Unterwelt, der Weg nach draußen scheint versperrt. Ein derart kühles Bühnenbild ermöglicht dem Zuschauer eine hohe Konzentration auf die Beziehungen der Protagonisten untereinander. Er kann ohne bühnenbildnerische Hindernisse Teil ihrer Welt werden. Eine solch leere Bühne hat aber auch den Nachteil, dass ihr jegliche Aufregung und Abwechslung fehlt. Regisseur Alexander Charim hat sich deshalb einen Clou zum Ende des Stücks einfallen lassen: Der Orchestergraben wird auf Bühnenhöhe gebracht, so dass Jupiter plötzlich zwischen dem Orchester herum wandelt und sogar dirigiert. Das anschließende Hochfahren der Bühne, auf der zum Stückende eine Party zur Rückkehr der Brüder gefeiert wird, wirkt dann aber seltsam: Statt glücklich am Himmelszelt vereint zu sein, werden die beiden Brüder an Seilen – eher unfreiwillig, wie es scheint – gen Himmel gezogen, während sich Jupiter über sie lustig macht.

Bühnenbildner Ivan Bazak lässt die die Bühne umgebenden Wände mal steinern, dann wieder schimmernd durch von oben herabträufelndes Wasser aussehen. Die Farbgebung changiert ständig und schafft viel Bühnenatmosphäre. Aurel Lenfert hat sich für die weiblichen Protagonisten Kleider in knalligem Rot und leuchtendem Blau einfallen lassen, die Herren sind eher schlicht mit Frack und Pullunder ausgestattet.

Ebenso knallig wie die Farben der Kleider sind die Gefühlsausbrüche der beiden Frauen. Ina Yoshikawa gibt eine liebebende, verzweifelte und Pollux betörende Télaïre mit stimmlich intensivem Sopran. Ihre Verführungskünste gelten ganz Pollux, denn er ist Mittel zum Zweck, was sie immer wieder durchscheinen lässt. Francis Bouyer als Pollux lässt sich immer wieder auf die gespielte Zuneigung ein, um dann in fesselnden Monologen das Für und Wider der Bruderrettung durchzuspielen. Schließlich lässt er sich aber doch überreden und holt mit stimmlich starkem Ausdruck seinen Bruder aus der Unterwelt zurück. Das geht nicht ohne seelische Qualen zu, auch nicht für Castor. Sung-Keun Park interpretiert seinen Castor mal mit dramatisch aufbrausendem Tenor − vor Wut auf den Bruder, der ihm gesteht, dass er seine Télaïreliebt; wenig später gibt er sich wieder versöhnlich. Auch die Rolle als liebender Partner, dessen Schicksal besiegelt ist, spielt er einfühlsam. Rebecca Davis als Phébé geht leer, also ohne Liebe, aus. Mit viel Intensität und charakterstarkem Sopran findet sie sich in die Rolle der ungeliebten, vor Schmerz und Zorn bebenden Phébé ein, die mit der Verdammnis in die Unterwelt bestraft wird. Mondän wie ein Gott eben ist, gibt sich Jupiter-Darsteller Frank Schneiders, der mit Stimm- und Strahlkraft aufwartet. Das Fünkchen Hohn, das ihm am Ende des Stücks, als seine Söhne gen Himmel fahren, in Gesicht und Stimme geschrieben steht, steht ihm gut.

Mit feiner Stimmentfaltung bewegt sich der Chor unter Dan Ratiu in der Trauerszene um den verstorbenen Castor. Unter der Leitung von Benjamin Reiners präsentiert sich das Staatsorchester mit einer sehr beweglichen Klangsprache, in der Rhythmik wunderschön auf Melancholie trifft.

Das Opernhaus ist mäßig gut besucht. Trotzdem gibt es viel Applaus für die großartige gesangliche und schauspielerische Darstellung sowie für das Orchester.

Agnes Beckmann