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Fakten zur Aufführung 

LUISA MILLER
(Giuseppe Verdi)
16. November 2014
(Premiere)

Staatsoper Hamburg


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Vom Ende der Bürgeridylle

Wer es nach der Vertonung des Schiller-Stoffes Die Jungfrau von Orléansund der Vorlage von Die Räuber immer noch nicht glauben wollte, die Stoffe des Sturm-und-Drang-Dichters Friedrich Schiller und die Musik des Romantikers Giuseppe Verdi passen hervorragend zueinander und treffen sich mit bestem Erfolg in Luisa Miller ein weiteres Mal. Während Schillers Vorlage Kabale und Liebe noch deutliche Zeichen des vorrevolutionären Europa trägt, betonen Librettist Salvadore Cammarano und Verdi in ihrer Bühnenfassung stärker die gesellschaftlichen Unterschiede ihrer Zeit und die menschlichen Konflikte, die sich beim Einzelnen und in den Familien wiederfinden. Sie stoßen mit ihren Empfindungen an die Grenzen ihrer Stände, und die meisten ihrer Versuche, diese zu erschüttern, enden tragisch. Wenn die brave, aber selbstbewusste Bürgerstochter Luisa sich in den Adeligensohn Rodolfo verliebt und mit ihm die Standesgrenzen zu sprengen versucht, wird sie bald mit den Waffen dieser „feinen“ Gesellschaft konfrontiert, die nicht die ihre ist, und sieht keinen anderen Ausweg, als aus dem Leben zu scheiden. Ihre tiefe Liebe zum Vater ist schließlich doch stärker als die zum jungen Rodolfo, die Welten bleiben unverbunden neben einander stehen – auch Liebe vermag sie nicht zu überwinden. Der Aristokratensohn sieht sich seinerseits betrogen und verraten, während Luisa erpresst wird, Rodolfos Rache ist schließlich tödlich.

Regisseur Andreas Homoki zeichnet in seiner Inszenierung gleich zwei Vater-Kind-Konflikte, die in unterschiedlichen Ständen verlaufen und sich zudem noch kreuzen – gleich mehrere Herausforderungen für eine angemessene Dramaturgie. Dass in einem solchen Umfeld die Charaktere dramatisch zugespitzt auf eine Katastrophe zulaufen, ist folgerichtig. Homokis Inszenierung zeichnet sich durch eine eher kühle Ausstattung und klare Linienführung aus, die Verdis romantische Musik umso effektvoller hervortreten lässt. Seine Absicht, die gesellschaftlichen Unterschiede der Zeit um 1850 zu betonen, kann er mit einfachen Mitteln und einer überzeugenden Personenführung glaubwürdig darstellen.

Paul Zoller gelingt es, mit einem recht einfachen Bühnenbild die Szenen effektvoll einzurahmen. Hin- und herschiebbare große, in kühlen Farben gehaltene Räume zeigen in einem überdimensionalen, goldenen Barockrahmen Farb- und Himmelskompositionen, die die Grundstimmung der Szene vorgeben, in der das Geschehen konzentriert abläuft. Die von Gideon Davey entworfenen Kostüme spiegeln den allmählichen Verfall der höfischen Ordnung wider. Wenn zum Schluss der Chor in abgerissener Unterkleidung und mit grau verhärmten Gesichtern auftritt, haben auch die Krinolinen längst ihren schwingenden Halt verloren. Die vormals üppig gekleidete und mit glänzenden Perücken ausgestattete Dienerschaft schaut entsetzt auf das, war vor dem einmal „adliger Hofstaat“ des ausgehenden Absolutismus war.

Simone Young hat ein ausgesuchtes Ensemble von Sängerinnen und Sänger zur Verfügung, mit den Philharmonikern Hamburg bilden sie einen bestens eingespielten Musikkorpus. Mit Nino Machaidze tritt eine Sängerin als Luisa auf, die darstellerisch wie gesanglich keine Wünsche offen lässt. Ihr variationsreicher Sopran stützt und bewegt die Stimmungen und Empfindungen mal in introvertierter Dichte, dann in aggressiver Herausforderung oder in hoch dramatischem Erschrecken oder in Verzweiflung. Nicht ohne Grund ist sie inzwischen eine international gefragte Sopranistin erster Häuser. Ebenbürtige Spiel- und Gesangspartner sind Tenor Ivan Magri als jugendlicher Rodolfo und Bariton George Petean, den Zuhörern aus früheren Hamburger Zeiten gut bekannt, in der sympathischen Rolle des Vaters Miller. Erfreulich dicht gelingt auch Oliver Zwarg die Figur des Wurm, der er mit dunklem Bariton vieldeutige Züge verleiht. Tigran Martirossian kann dem Grafen Walter weder stimmlich noch darstellerisch das gewünschte Gewicht geben. In weiteren Partien passen sich Cristina Damian als Federica, Ida Aldrain als Laura und Daniel Todd als Bauer dem guten Niveau der übrigen Stimmen bestens an.

Wenngleich diese dramatische Oper häufig den Charakter eines Kammerspiels zeigt, fehlen die „großen Momente“ eines expressiven Operngeschehens keineswegs. Überzeugend heraus gespielte Charaktere, bewegende Gesangspartien und ein in orchestraler Breite wie in expressiven Akzenten mit Genauigkeit und Ausdruckskraft agierendes Orchester machen diese Aufführung zum Erlebnis eines großen Opernabends. Das Publikum bedankt sich mit nicht enden wollendem Beifall und zahlreichen Bravorufen für ein Musikereignis, das einen Klassiker des Wortes mit einem der Musik verbindet – bestens gelungen.

Horst Dichanz

Fotos: Monika Rittershaus