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Fakten zur Aufführung 

CARMEN
(Georges Bizet)
7. Oktober 2015
(Premiere am 3. Oktober 2015)

Bühnen Halle

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Der Tod ist weiblich

Noch bevor sich  die  Wachmannschaft in Alltagsklamotten und mit Fastfood auf den im Quadrat fein säuberlich aufgestellten 25 Fabrik-Tischen  lümmelt  und ihre Macho-Parolen singt, sieht man für Augenblicke nur im Hintergrund eine digitale Zeitangabe, bei der unaufhaltsam die Sekunden verrinnen. Hier wird angekündigt, was am Ende zur Gewissheit und zum Schicksal von Carmen wird: der Tod. Und der Tod hat hier ein Gesicht, ist weiblich und in den entscheidenden Momenten des schicksalhaften Geschehens immer zur Stelle.

Das Inszenierungsteam um Julia Huebner mit Bühnenbildnerin Iris Holstein und Esther Dandani, die die Kostüme entworfen hat, hat den französischen Opernklassiker ganz aus weiblicher Sicht inszeniert. Ihre Carmen ist weniger die verführerische femme fatale, sondern eine Frau, die ihr Leben selbst bestimmen will, ihre Freiheit liebt und sich nicht unterdrücken lassen will. Die Inszenierung verbannt jegliche spanische Folkore und Zigeunerromantik, Flamencotanz und Kastagnetten-Spiel. Nichts davon in den Alltagskostümen der Näherinnen, die auf der sich ständig bewegenden Drehbühne ihrer Arbeit nachgehen. Und die Kinder mit bunten Luftballons, Fahrrädern und Rollerblades assoziieren mehr einen Schulausflug. In dieser fremdartigen Kulisse werden mit zunehmender Intensität die Beziehungen zwischen den Personen wichtiger. Josè und Micaëla, die Botschaft von der Mutter bringt, Carmen, die mit verführerischer Eleganz und ihrer Habanera L` amour es tun oiseau rebelle Josè und Zuniga umgarnt, und Joe willenlos macht. Später, wenn Escamillo mit seinem Torerolied in das Leben Carmens tritt, verfällt sie dem Charisma des in die Jahre gekommenen Stierkämpfers und sie erliegt der Faszination von Freiheit und Selbstbestimmung, die der Stierkämpfer verkörpert. Es gibt beeindruckende szenische Momente in dieser Aufführung, die über weite Strecken  wie ein Kammerspiel mit ausgefeilter Personenführungen sind,  unterstützt durch Videoprojektionen und aus dem Off eingespielte Dialoge, die zur Handlung gehören und die inneren Momente des Nachdenkens darstellen. Dazu gehört auch, wenn Escamillo vor seinem Kampf eingekleidet wird, sich quasi verwandelt, von Carmen aus dem Bett heraus beobachtet wird und der Chor in der Maske des Todes sowie der Kinderchor mit schwarzen Luftballons, die Szene flankierend das Todesfinale ankündigen.

Die Inszenierung überzeugt vor allem durch ein Sängerensemble, das den Intentionen der Regie folgt. Herausragend Svitlana Slivia als Carmen mit einem voluminösen Mezzosopran von großer Modulationsfähigkeit und wirkungsvoller Bühnenpräsenz. Marianne Fiset ist eine sehr lyrische Micaëla, selbstbewusst bis zuletzt um Josè ringend. Und Xavier Moreno ist als Don Josè stimmlich von beindruckender Präsenz. Die Blumenarie La fleur que tu m`a jetèe gehört neben dem Torero-Lied von Gerd Vogel als Stierkämpfer Escamillo zu den Höhepunkten der Aufführung. Aus dem Solistenensemble seien noch ausdrücklich erwähnt: Ulrich Burdack als Zuniga, Linda von Coppenhangen als Frasquita und in der Rolle der Mercedes Olivia Saragosa. Zum anderen aber ist wieder einmal die besondere Stimmkultur des Opernchores unter der Leitung von Jens Petereit und des spielfreudigen Kinder-und Jugendchors der Oper Halle, den Peter Schedding einstudiert hat, zu rühmen.

Die musikalische Qualität wird zum einen durch die Staatskapelle Halle unter Andreas Henning geprägt. Kraftvoll und dramatisch, lyrisch und emotional balanciert der Dirigent das Musikalische aus und hat dabei immer sicher das Bühnengeschehen im Blick.

Wer glaubt, Bizets Carmen zu kennen, erlebt an der Oper Halle eine ganz andere, sehr emotionale und  fernab der Melodien zum Mitsingen auch nachdenkliche Sicht auf das Schicksal dieser Frau, die auch einen etwas anderen Blick auf Emanzipation wagt. Auffallend viele Hallenser Schüler folgen aufmerksam und sehr interessiert dem Geschehen auf der Bühne. Der Beifall nach dem Todesfinale ist entsprechend stürmisch.

Herbert Henning

 







Fotos: Falk Wenzel