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Fakten zur Aufführung 

BALL IM SAVOY
(Paul Abraham)
17. Mai 2015
(Premiere am 9. Mai 2015)

Bühnen Halle

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Es lebe die Emanzipation

Nach dem spektakulären Erfolg der Berliner Inszenierung von Ball im Savoy an der Komischen Oper vor zwei Jahren ist Paul Abrahams Jazz-Operette auf ihrem Siegeszug nach mehr als  80 Jahren seit der Uraufführung in Berlin in Halle angekommen. Postkartenidylle zu Beginn: Rom, Paris, Athen, Berlin. Ein Jahr Flitterwochen rund um die Welt und in der Gondel in Venedig besingen Marquis de Faublas und seine Gattin Madeleine operettenselig ihre Liebe. Die freilich bekommt nach der Rückkehr in ihre Luxusvilla in Nizza einige Blessuren. Dafür sorgen von den vielen Nichtstuer-Freunden vor allem der quirlige und mit allen amourösen Wassern gewaschene Mustapha Bey, der mit der Tango-Diva auf dem Ball im Savoy im Separee ein Versprechen einlösen will, und Tangolita als Verflossene des Schwerenöter-Marquis. Mit den Waffen einer Frau dreht Madeleine den Spieß um und sorgt für amüsante Verwirrungen, die sie nach der Ballnacht zur Heldin der Emanzipationsbewegung machen. Außer Missverständnissen und schaumgebremster Leidenschaft bei beiden Eheleuten ist am Ende nichts gewesen.

Das alles klingt nicht nur wie Die Fledermaus, das Ganze wäre es auch, wenn Paul Abraham zu dieser Geschichte nicht eine ganz besondere Musik komponiert hätte. Eine Musik, die die weltstädtische Atmosphäre Berlins, den Sound der Bars und Etablissements dieser Stadt mit Jazz, Swing, Tango, Foxtrott, Walzer, Quick-Step, Chansons und Schlagern kongenial widerspiegelt. Daraus wird ein prickelnder musikalischer Cocktail, eine Revue-Operette, die das Publikum von den Sitzen reißen kann. Nicht nur der Gassenhauer Es ist so schön, am Abend bummeln zu gehen oder Madeleines melancholisches Toujours l`Amour haben das Zeug dazu. Was hätte dieser Komponist noch für tolle Musik schreiben können, wenn er nicht hätte Deutschland verlassen müssen? Sänger und Schauspieler Tobias Bonn, der Operette liebt und  als Toni Pfister der Musikkabarettgruppe Geschwister Pfister bekannt ist, hat mit Augenzwinkern und vielen schönen szenischen Einfällen Abrahams Meisterwerk inszeniert. Dass er die Handlung in die 1960-er Jahre verlegt, man den Ball im Savoy in einem sehr verfremdeten Ballsaal ohne Glanz und Glamour  erlebt, und man den schiefen Haussegen  bei Aristide und Madeleine nach der Ballnacht in Zeigefinger-Manier durch schräge Kulissen andeutet, ist Geschmackssache. Die Intentionen des Regisseurs haben Stephan Prattes mit dem Bühnenbild und Heike Seidler in den Kostümen adäquat umgesetzt.

Auch in Halle zünden die von Dany Castello mit Pep choreografierten Tanzszenen für das Ballett Rossa und den ungemein spiel- und tanzfreudigen Chor in der Einstudierung von Peter Scheding. Vor allem aber kommt Schwung und Temperament auf die Bühne, wenn Daisy Darlington aus New York die Szene betritt und nicht nur Mustapha Bey mit den Erfahrungen von sechs glücklich geschiedenen Ehen völlig aus der Fassung bringt. Darlington hat unter dem Pseudonym Paso Doble gegen den Widerstand ihres Daddys als Komponistin Karriere in Europa gemacht. Es lebe die Emanzipation. Und das sorgt für Irrungen und Wirrungen.

Elke Kottmair wirbelt als Darlington über die Bühne. Singt, tanzt, steppt, flirtet und hat mit emanzipierter Frauenpower alles im Griff. Kein Wunder, dass Mustapha ihr ganz und gar verfällt. Björn Christian Kuhn und Kottmair sind ein hinreißendes Buffo-Paar. Sie konkurrieren mit dem Duett Mr. Brown und Lady Stein von Ginger Rogers und Fred Astaire, und ein bisschen hört man in Abrahams Musik Cole Porters Night and Day heraus. Anke Berndt singt stimmlich überzeugend die Madeleine, ist Diva und emanzipierte Ehefrau in einem, sehr natürlich im Spiel. Ralph Ertel singt und spielt mit baritonalem Johannes-Heesters-Charme den Marquis und Gabriele Bernsdorf eine herrlich verschrobene Tangolita.

Musikalisch gelingt Andreas Henning mit der Staatskapelle Halle eine temporeiche Aufführung, die  bei den chansonhaften Liedern wie Madeleines Was hat eine Frau von der Treue ebenso überzeugend ist wie bei den temperamentvollen Revueszenen, wenn Daisy, Mustapha Bey und die Ballettsolisten über die Bühne wirbeln.

Beim Mitklatsch-Finale gibt es noch einmal den Hit Es ist so schön, am Abend bummeln zu gehen, und Halles Opernhaus ist ganz aus dem Häuschen.

Herbert Henning

 







Fotos: Falk Wenzel