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Fakten zur Aufführung 

ARMINIO
(Georg Friedrich Händel)
11. Oktober 2015
(Premiere am 19. September 2015)

Nordharzer Städtebundtheater Halberstadt/Quedlinburg, Großes Haus Halberstadt


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Weltgeschichte als dramatische Familiensage

Anerkennung und Hochachtung für eine außergewöhnliche künstlerische Leistung muss man dem Ensemble des Nordharzer Städtebundtheaters zollen. Solisten und Orchester unter Musikdirektor Johannes Rieger haben mit der Aufführung dieser selten gespielten, 1736 in London uraufgeführten Händel-Oper einmal mehr ihre künstlerische Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Immer wieder hat sich in den vergangenen Jahren Rieger den besonderen musikalischen Anforderungen der Barockoper gestellt, hat unter anderem Julius Cäsar und Alcina mit großem Erfolg auf die Bühne gebracht. Nun also  Arminio von Georg Friedrich Händel. Erst in jüngster Zeit kann man diese Oper vermehrt auf den Spielplänen wiederfinden. Lange Zeit im Schatten der anderen Barockopern von Händel, ist Arminio vor allem musikalisch etwas ganz Besonderes. Händel orientiert sich in seiner Komposition nicht mehr an den Vorbildern der italienischen Opera seria. Die Rezitative sind kürzer. Die Da-capo-Arien treten hinter den Arien, Duetten und Ensembles zurück. Musikalisch viel differenzierter ist die musikalische Charakterisierung der handelnden Personen.

Bei Arminio geht es um Weltgeschichte, um die legendäre Schlacht der Germanen gegen die Römer im Jahre 9 im Teutoburger Wald. Der Sieg von Arminio über die Legionen des römischen Feldherrn Varus leitete mit den Untergang des Römischen Reiches ein. Ein Stoff, wie geschaffen für die Opernbühne, und Domenico Scarlatti und Johann Adolf Hasse machten daraus auch solche. Händel interessierte aber weniger Waffenlärm und Schlachtengetümmel. Im Mittelpunkt seiner Arminio-Oper steht eine Familiensage. Erst zum Finale der Oper wird vom Sieg des Germanen-Feldherrn über die Römer gekündet. Bis dahin erlebt man in einem Wechselspiel der Emotionen Gatten-Treue und Geschwisterliebe, Mut, Verrat und Intrigen, Machtspiele, Todesdrohungen und Opferbereitschaft. Das freilich historisch nicht verbürgt und doch ungemein effektvoll vor allem in der musikalischen Charakterisierung dieses Personengeflechts.

Und darin liegt das Besondere und auch das Bemerkenswerte der Inszenierung von Oliver Klöter. In seiner sehr ausdifferenzierten Personenführung greift er die musikalische Inspiration aus dem Orchestergraben  und dem Basso continuo mit Huyung Ju Lee am Cembalo, Jens Herrmann am Violoncello und Frank Petersen an der Theorbe auf. Wohltuend ist, dass es beim Gesang kein Posieren an der Rampe gibt. In entscheidenden Momenten lässt der Regisseur die Personen in ihren Posen verharren, übersetzt Bewegungen in slow motions, spielt mit Schattenbildern. Das ist überaus effektvoll, erhellt die komplizierten Beziehungen zwischen Arminio und Tusnelda, Sigismondo und Ramise sowie Segeste, Vario und Tullio, die immer wieder auf das Schicksal der sich Liebenden Einfluss nehmen. Die ausführlichen Darstellungen von Inhalt und Werkegeschichte der Oper im Programmheft sind für das Verständnis hilfreich und die deutsche Übertitelung unterstützt, wie auch die in Deutsch gesungenen Rezitative dieses Verständnis.

Dass diese Familiensage vom kriegerischen Konflikt zwischen Germanen und Römern überschattet wird, macht Ausstatterin Andrea Kaempf mehr als deutlich. Der Kriegsgott Mars in seinem Streitwagen als Motiv  aus der Grafik „Der Triumph des Todes“ von Maarten van Heermskerck aus dem 15. Jahrhundert  beherrscht immerfort das Bühnenbild , das sich effektvoll in immer neue Räume durch hohe Versatzstücke verwandelt und mit einem raffinierten Lichtdesign  emotional wirkungsvolle Stimmungen schafft.

Gesungen wird ohne Fehl und Tadel. Herausragend der Countertenor Denis Lakey mit wunderschön ausgesungenen Koloraturen als Arminio und Benedicte Hilbert als verzweifelt-liebende Tusnelda an seiner Seite. Runette Botha singt hervorragend die sonst mit einem Countertenor besetzte Partie des Sigismondo, hin und hergerissen zwischen der Liebe zu Ramise, die von Regine Pätzer eindrucksvoll verkörpert wird und seinem Vater Segeste. Juha Koskela singt und spielt überzeugend diesen Verräter in den eigenen Reihen. Max An als Varo und Gijs Nijkamp als Tullio komplettieren ein Barockensemble, das diese Aufführung mit einem glänzend aufspielenden Orchester zu einem Erlebnis macht.

Auch in der dritten Vorstellung gibt es minutenlange standing ovations für das Solistenensemble und besonders für das Orchester und seinen Dirigenten.

Herbert Henning

 







Fotos: Gert Kiermeyer