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Fakten zur Aufführung 

MANON
(Jules Massenet)
25. April 2015
(Premiere)

Oper Graz


Points of Honor                      

Musik

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Shoppen am Airport

Eigentlich ist es ja eine Poststation in Amiens, wo Jules Massenets Manon laut Libretto, das auf dem Buch von Abbé Prévost basiert, beginnen sollte. Stattdessen hatten wir ja auch schon alles erdenklich Mögliche, etwa einen Bahnhof, wie auch bei der derzeitigen Produktion an der Wiener Staatsoper. Hier am Opernhaus Graz, letztmalig wurde die Oper hier vor nahezu 60 Jahren gezeigt, wurde es nun die Abfertigungshalle eines modernen Flughafen – die Bühne und die Videos stammen von Silvia Merlo und Ulf Stengl – mit allem realistischen Zubehör und in den entsprechenden Kostümen der Airport-Bediensteten und der Passagiere. Die Kostüme hat Lydia Kirchleitner erdacht. Diesen konzeptionellen Ansatz kann man noch irgendwie nachvollziehen. Aber der wieder einmal krampfhafte Modernisierungsversuch einer Oper funktioniert in weiterer Folge nicht mehr.

Man muss zwar dem Regisseur zugute halten, dass er sehr konsequent ist. Denn Elmar Goerden lässt nicht nur den Anfang, sondern die gesamte Geschichte am Airport und im Heute spielen. Und gerade deshalb wird es, auch trotz der recht freien und angepassten deutschen Übersetzung des Textes – dann immer holpriger: Wer lässt sich schon im Zeitalter der Düsenjets und der Handys zwangsweise ins Kloster stecken? Oder wenn etwa das Liebesnest statt in einer Mansarde in Paris in einem Zelt zwischen weiteren, vielleicht wegen eines Streiks gestrandeten, herumliegenden Passagieren in der Abfertigungshalle ist. Wenn das berühmte, in der Arie Adieu, notre petite table besungene, kleine Tischchen eine Bierkiste darstellt.  Wenn Manon im Taxfree-Laden als Modell an einer Promotion für das Parfüm „Jeunesse“ teilnimmt, was auch auf riesigen Werbeplakaten zu sehen ist. Besonders peinlich wird es aber dann, wenn statt des Klosters Saint Sulpice in voll gerauchten Raucherkabinen der Chevalier Des Grieux sektisch anmutende Handlungen an Frauen vollzieht und schwangere Nonnen herumsteigen. Und schließlich verdurstet Manon in der Halle vor Flugzeugen nicht, was auf Grund der funktionierenden Getränkeautomaten auch schwer möglich wäre, sondern schneidet sich die Pulsadern auf. Zudem gibt es noch viele lächerliche, verzettelnde Details.

Dabei ist in dieser abstrusen, nicht funktionierenden und schwer nachvollziehbaren Konzeption die Personenführung an sich, abgesehen von der Führung des Chores und so mancher Statik, gar nicht übel. Die szenische Einstudierung der Koproduktion mit dem Theater Basel, wo die Produktion schon 2013 zu erleben war, besorgte Barbara Schröder, denn Goerden inszeniert zeitgleich die von ihm montierte Textcollage Kafka an der Wiener Josefstadt, was ihm wahrscheinlich auch einige Buhs erspart hat, weil er sich deshalb zum Schlussapplaus nicht verbeugen kann.

Iulia Maria Dan, verführerisch und kokett in Hot Pants und engem T-Shirt, kann in der Titelrolle mit Zerbrechlichkeit, stimmlicher Kühle, flexiblem und sauberem Sopran überzeugen und mit tadellosen Spitzentönen beeindrucken. Abdellah Lasri als Chevalier des Grieux kann schwärmerisch, poesievoll, aber auch kraftvoll mit seinem schon metallisch glänzenden Tenor beeindrucken. Seine bekannteste Arie Je suis seul… kann große Emotionen wecken.

Auch das restliche Ensemble sowie der Chor, der von Bernhard Schneider einstudiert wurde, singen überdurchschnittlich gut: Ivan Orescanin könnte als Cousin Lescaut, der als Wachorgan mit Maschinenpistole bewaffnet am Flughafen Dienst versieht, allerdings schmieriger sein und wirkt insgesamt blass. Bei Wilfried Zelinka hört man einen bösartig und zornig gezeichneten Grafen des Grieux, der Vater des Chevalier mit weichem Bariton. Da wirken Manuel von Senden als Guillot und David McShane als De Brétigny als Flugkapitän schleimig und spielen diese Typen wie gewünscht fies. Makellos singen auch Sieglinde Feldhofer als Poussette, Anna Brull als Javotte und Xiaoyi Xu als Rosette.

Ohne je ins allzu süßliche Sentiment abzugleiten, lotet das Grazer Philharmonische Orchester unter Dirk Kaftan die gesamte dynamische Palette aus. Die verzehrenden Melodiebögen des Meisterwerkes werden nicht immer mit feinsinniger, sondern meist mit aufpeitschender, intensiver Emotionalität musiziert.

Dem Publikum hat es insgesamt gefallen. Es reagiert mit freundlichem, starkem Applaus ohne jegliche Missfallenskundgebungen.

Helmut Christian Mayer 







Fotos: Werner Kmetitsch