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Fakten zur Aufführung 

DER FERNE KLANG
(Franz Schreker)
26. September 2015
(Premiere)

Oper Graz


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Üppig sinnlicher und farbiger Klangrausch

Unter der kleinen, weißen Zeltplane, ihrem Liebesnest, kauern sie auf der sonst dunklen Bühne und nehmen gleich zu Beginn voneinander Abschied. Und genau hierher kehrt Fritz am Schluss vom Leben verbittert zurück, um in den Armen seiner geliebten Grete, die durch sein Verschulden zur Kurtisane wurde, zu sterben. Dazwischen macht Fritz eine lange Reise zu seinen utopischen, diffusen Träumen, zur vergeblichen Suche nach dem Fernen Klang. Es ist eine Flucht in eine Scheinwelt, bis er zu spät bemerkt, was seine deswegen völlig vernachlässigte, große Liebe für ihn bedeutet hat.

Lange galt Franz Schreker neben Richard Strauss als der erfolgreichste, lebende Komponist im deutschsprachigen Raum, bis die Nazis seines Werke als entartet brandmarkten und verboten. Er geriet dadurch etwas in Vergessenheit und erlebte erst in den letzten Jahren eine gewisse Renaissance. Jetzt kehrt seine Erstlingsoper Der ferne Klang dorthin zurück, wo sie 1924 ihre österreichische Erstaufführung erlebte: nach Graz. Zur diesjährigen Saisoneröffnung und zu Beginn der neuen Intendanz von Nora Schmid wurde dieses faszinierende, spätromantische Werk, das 1912 in Frankfurt uraufgeführt wurde und den österreichischen Komponisten, der auch das Libretto schrieb, auf einen Schlag berühmt machte, am Opernhaus aufgeführt.

Raumdramaturgie und Personenführung von Regisseurin Florentine Klepper, die 2014 Strauss‘ Arabella bei den Salzburger Osterfestspielen inszenierte, sind intensiv. Da stimmt jedes Detail ihrer vielen Ideen auch beim punktgenauen, stimmigen Licht. Obwohl sie immer wieder zwischen Realem und Surrealem changiert, erzählt sie die Geschichte klar und schlüssig und manchmal, wie im Bordell, etwas zu schwül. Auch setzt sie auf zeitlupenartige Bewegungen und spielt mit der Verdopplung von Grete. Deren Double stellt sich als ihre eigene Kupplerin heraus, die sie ins Bordell verschleppt und ist offenbar die dunkle Seite ihres Ichs: Offensichtlich eine Verneigung auf die tiefenpsychologisch auftretenden Strömungen zur Entstehungszeit der Oper.

Häufig wird die Drehbühne bei der meist in dunkles Licht getauchten Szenerie, die von Martina Segna stammt, mit vielen Projektionen eingesetzt. Auch fährt mehrmals ein großer, zweistöckiger Kubus hoch, die verschiedenen Örtlichkeiten darstellend. Das Bordell im zweiten Akt ist ein metallisch kühler, halbrunder Raum mit einer großen Treppe und Galerie, wo sich die leicht bekleideten Mädchen aufhalten. Gespielt wird in Fantasiekostümen von Anna Sofie Tuma aus den 1930-er Jahren.

Sängerisch verlangt das Werk den Protagonisten viel ab: Johanni van Oostrum ist eine hochintensive Grete, von ätherischem Pianogesang bis hin zu den glühenden Leidenschaften. Daniel Kirch singt die schwere Partie des Fritz mit allen Höhen. Sein Tenor könnte jedoch für die Rolle kraftvoller sein, so geht er immer wieder in den Orchesterwogen unter. Markus Butter in der Doppelrolle von Dr. Vigelius und Graf ist es vorbehalten, eine der wenigen eingängigen Arien zu singen. Teilweise erscheint die Partie für ihn zu tief zu liegen. Sein Bariton klingt recht markig. Auch das übrige Ensemble ist sehr gut besetzt. Bei den vielen, kleinen Rollen, wobei einige Sänger in mehreren Partien zu hören sind,  ragen etwa Dshamilja Kaiser als samtig singendes altes Weib,  Wilfried Zelinka als kerniger Wirt und Polizist, David McShane als profunder Rudolf, Taylan Reinhard als höhensicherer Chevalier und Ivan Orescanin als makelloser Schmierenschauspieler heraus. Der Chor in der Einstudierung von Bernhard Schneider singt und agiert tadellos.

Das Grazer Philharmonische Orchester unter seinem Chefdirigenten Dirk Kaftan fabriziert einen manchmal auch etwas zu lauten, üppigen, sinnlichen Klangrausch. Die modulationsreiche Harmonik mit gleißendem Klangsinn wirkt von Akt zu Akt inspirierter und reicher. Er taucht den Pinsel ganz tief in den Eimer der strahlendsten Orchesterfarben. Im zweiten Akt steht das Orchester total im Mittelpunkt. Da befinden sich die Musiker auch auf der Bühne, in mehreren Logen und sogar auf der seitlichen Galerie.

Großer Jubel und viele bravi ohne Widerspruch für alle Beteiligten und für ein Werk, das man sich öfters zu erleben wünscht.

Helmut Christian Mayer

 







Fotos: Werner Kmetitsch