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Fakten zur Aufführung 

AUF FERNEN PFADEN
(Lutz Koppetsch & La Piccola Banda)
18. Juli 2014
(Gastspiel)

Kloster Gravenhorst


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Schwebende Klänge unter Wolkenatem

Die Zuhörer, die an diesem heißen Tag zu einem weiteren Konzert der Reihe Summerwinds in die Nordwestecke des Münsterlandes kommen, sind den Zisterzienserinnen wirklich dankbar, die ihr Kloster um 1260 mit so dicken Mauern errichten ließen, dass die Räume heute auch bei 35 Grad Celsius Außentemperatur noch angenehm kühl bleiben. Und so schlendern sie unter den luftigen Stoffgebilden von Klaus Illi und Bettina Bürkle umher, die in diesem Saal, dem früheren Dormitorium, und einem Gewölbe leuchtend rote und weiße, ballonartige Gebilde und Stoffschläuche installiert haben. Die zunächst fremdartig wirkenden Rundkörper richten sich, sobald ein Besucher den Raum betritt, langsam zu voller, praller Größe auf, um nach einiger Zeit, dem Atem ähnlich, wieder zusammenfallen. Die von der Decke baumelnden roten Stoffschläuche geraten in Bewegung – ein wenig geheimnisvoll, ästhetisch sensibel und von einer kontemplativen Ruhe, die mit dem schweren Gemäuer des Klosters wunderbar harmoniert.

Kloster Gravenhorst ist einer der Aufführungsorte des zum dritten Mal veranstalteten Konzertfestivals Summerwinds, das, vom Liebhaberpublikum gern besucht, an besonderen Orten des weiten Münsterlandes stattfindet. In den Sommermonaten finden Besucher zahlreiche, in diesem Jahr mehr als fünfzig musikalische Veranstaltungen unterschiedlichster Art, die auf Schlössern, Burgen, in Herrenhäusern und Rathäusern diesseits und jenseits der deutsch-niederländischen Grenze anspruchsvolle Musikabende anbieten. Dabei treten die JEKISS-Kinderchöre ebenso auf wie der Sänger-Bund Klein-Reken, zahlreiche kleinere Musikensemble, aber auch das Sinfonieorchester Münster. Das Programm ist trotz der Betonung der Holzbläser breit gestreut, und so steht an diesem Abend ein Saxophon im Mittelpunkt.

Mit Lutz Koppetsch tritt ein Saxophonist auf, den man getrost Meister seines Instrumentes nennen kann. Mit 26 Jahren übernimmt Koppetsch 2002 die Leitung der Saxophonklasse an der Hochschule für Musik Würzburg und spielt als Gast in zahlreichen internationalen Orchestern. Für ihn und das La-Piccola-Banda-Orchester hat Stefan Johannes Hanke einen bunten Strauss klassischer und moderner Stücke arrangiert. Er nutzt die spezielle Zusammensetzung dieser Gruppe und präsentiert einen neuen, eigenwilligen Klang. Zum klassischen kleinen Kammerensemble gesellen sich Akkordeon und Saxophon hinzu.

Das Programm bringt Stücke von barocken Corelli-Variationen über Mussorgsky- und Brahmsmelodien bis zu Klezmer-Klängen und modernen Sätzen wie etwa dem Jungle von Laube oder freien Variationen von Ryo Noda. In wechselnder Besetzung, bei der einmal die Streicher im Vordergrund stehen, dann Cello und Contrabass einen Tanzrhythmus vorgeben oder, nicht nur bei den Klezmer-Traditionals das Akkordeon durchschimmert, präsentieren Koppetsch und La Piccola Banda originell arrangierte Stücke aus der Barockzeit, folkloristisch gefärbte Arrangements des 21. Jahrhunderts und moderne Kompositionen. Vor allem in ihnen drückt sich ein modernes, auch atonales, rhythmusfreies Musikverständnis aus, mit dem nicht alle Zuhörer vertraut sind. Koppetsch überrascht bei den modernen Stücken ebenso wie den kammermusikalischen Frühwerken mit dem ungewohnten Klang seines Altsaxophons, mit dem sich die Zuhörer bald anfreunden. La Piccola Banda hat keine Mühe, statt vertrauter Kammermusikklänge ungewohnte Partien zu spielen und in souveräner Technik und mit viel Spiellaune gelungene Neuinterpretationen bekannter Klänge vorzustellen. Die Musiker haben mit der hohen, hallenartigen Architektur und Akustik des Dormitoriums keine Probleme und füllen die Halle mit luftigen, oft tanzähnlichen Klängen oder sensibel-zarten Klangbildern, die die Zuhörer unwillkürlich in die geistliche Vergangenheit dieses Gebäudes zurück versetzen. Koppetsch führt mit leichten, leider oft akustisch schlecht verständlichen Informationen beiläufig durch das bunte Programm.

Erst nach zwei Zugaben entlässt ein begeistertes Publikum den Solisten und das Ensemble. Die Musiker können sich über viel Beifall eines internationalen Publikums freuen. Nachbarn aus den Niederlanden sind mit von der Partie und geben diesen Summerwinds nicht nur auf der Bühne, sondern auch unter den Besuchern das gewünschte internationale Flair.

Horst Dichanz

Fotos: privat/Opernnetz