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Fakten zur Aufführung 

PIQUE DAME
(Peter Tschaikowski)
22. Juni 2014
(Premiere)

Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen


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Musik

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Heimspiel für Hilsdorf

1981 debütierte Dietrich W. Hilsdorf als Opernregisseur. Damals inszenierte er in Gelsenkirchen Peter Tschaikowskis Eugen Onegin – der Auftakt einer Erfolgsgeschichte, denn Hilsdorf realisierte am Musiktheater im Revier in den 1980-er Jahren einen Mozart-Zyklus, der über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus große Beachtung fand. Nun kehrt der Regisseur nach Gelsenkirchen zurück, und wie vor 33 Jahren ist es erneut eine Tschaikowski-Oper, die Hilsdorf inszeniert. Pique Dame erzählt die Geschichte des deutschstämmigen Offiziers Hermann, der, um die mit dem Fürsten Jeletzki verlobte Lisa zu gewinnen, versucht, mittels eines Geheimnisses um eine Kartenfolge beim Glücksspiel Pharao, das die Gräfin, Lisas Großmutter, kennt, zu Reichtum – und somit an Lisas Hand – zu kommen. Beim Versuch, der Gräfin, die früher eine berühmte Spielerin war, das Geheimnis zu entlocken, stirbt diese. Hermann, der sich in einen ungebremsten Fanatismus steigert, erscheint der Geist der Gräfin, die ihm die Kartenfolge Drei, Sieben und As verrät. Hermann gewinnt mit den ersten zwei Karten, als dritte erscheint aber nicht das As, sondern die Pik Dame, der frühere Spitzname der Gräfin. Hermann verliert nicht nur das Spiel, sondern auch sein Leben.

Hilsdorf inszeniert Pique Dame als spannendes Kammerspiel, in dem die Psychologie der Figuren in den Mittelpunkt gestellt wird. Das von Dietrich Richter geschaffene Bühnenbild zeigt einen Salon, der sich mittels eines sich drehenden Elements in der Mitte in die Räumlichkeiten der Gräfin verwandeln lässt. Auch die Kostüme von Renate Schmitzer orientieren sich wie die Bühne an der Zeit, in der Pique Dame spielt. Der vordergründig konventionelle Rahmen, den Bühne und Kostüme bilden, lässt aber immer wieder Raum, einzelne Figuren aus der Petersburger Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, in der die Oper angesiedelt ist, heraustreten zu lassen, ihre individuellen Hoffnungen und Sorgen psychologisch genau darzustellen. So steht auch der Chor während eines Maskenballs in absolutem Gegensatz zu den Bedürfnissen der Protagonisten: Während die Masse oberflächlich sexuellen Ausschweifungen nachgeht, sind Fürst Jeletzki, Lisa und Hermann Gefangene ihrer „echten“ Gefühle, an denen jeder der drei auf seine Weise zerbricht.

Kor-Jan Dusseljee überzeugt als Hermann mit einer kräftigen Stimme, die problemlos gegen den Orchesterapparat ansingen kann, zeigt aber auch ruhige Zwischentöne. So gelingt, auch dank einer guten schauspielerischen Leistung, eine vielschichtige Darstellung der Figur. Zwischen Leidenschaft und Trauer legt Petra Schmidt die Figur der Lisa an. Auch hier passen gesanglicher und schauspielerischer Ausdruck hervorragend zusammen, so dass eine facettenreiche Darstellung Lisas gelingt. Michael Dahmen wiederum gibt den Fürsten Jeletzki als Offizier und Gentleman, hinter dessen schneidiger Fassade stille Trauer um den Verlust seiner Verlobten zum Ausdruck kommt. Dahmen singt seine Partie schnörkellos und mit geradliniger Eleganz. Mit durchdringender Stimme und großer Bühnenpräsenz verkörpert Gudrun Pelker die Titelfigur. Gestützt auf zwei Gehstöcken gelingt Pelker die überzeugende Darstellung einer alten, gebrechlichen Frau, die mit Wehmut auf ihre Jugend und mit Verachtung auf die Gegenwart blickt. Auch der Rest des Ensembles weiß zu gefallen. Herauszuheben sind Piotr Prochera als Graf Tomski, der stimmlich an der Seite von Kor-Jan Dusseljee zu wachsen scheint, und Almuth Herbst als Polina.

Musikalisch speist sich die Dramatik der Pique Dame nicht zuletzt aus dem Orchester. Rasmus Baumann gelingt es, die sinfonische Musiksprache Tschaikowskis soweit im Zaum zu halten, dass sie nicht unkontrolliert über das Publikum und die Bühne fegt. Stattdessen bringt die Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung Baumanns eine hochdramatische, aber gleichwohl ausdifferenzierte Musik zum Klingen, die auch zerbrechliche Momente kennt. Der von Christian Jeub einstudierte Chor rundet das musikalische Gesamterlebnis ab.

Das Publikum feiert eine gelungene Opernpremiere euphorisch. Ensemble, Orchester und Regieteam werden gleichermaßen mit verdientem Applaus bedacht. Regisseur Hilsdorf nimmt den Applaus auf der Bühne gelöst und mit einem Lächeln entgegen. Für ihn ist es ein Heimspiel.

Sascha Ruczinski





Fotos: Thilo Beu