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Fakten zur Aufführung 

A MIDSUMMER NIGHT'S DREAM
(Benjamin Britten)
9. Oktober 2015
(Premiere am 3. Oktober 2015)

Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen


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Dreistündiger Schleiertanz

Mit Benjamin Brittens Dauerbrenner Peter Grimes in der brillanten Inszenierung von Elisabeth Stöppler sorgte das Musiktheater im Revier vor sechs Jahren für Schlagzeilen. Etwas länger zurück liegt eine ähnlich geglückte Produktion von Brittens letztem Werk, Death in Venice. Nicht zu vergessen Gloriana und eine nicht ganz unproblematische szenische Realisierung des War Requiems. Und jetzt knüpft das ungebrochen vitale Haus zum Auftakt der neuen Saison mit einer musikalisch und szenisch ebenfalls rundum beglückenden Aufführung von Brittens Shakespeare-Adaption A Midsummer Night’s Dream an die früheren Erfolge an. Gelsenkirchen beweist immer wieder ein besonders glückliches Händchen für Britten, den modernen „Orpheus Britannicus“.

Bemerkenswert, dass die Erfolge mit diesen nicht einfachen und teils sperrigen Stücken vom Publikum vorbildlich mitgetragen werden. In der ersten Reprise des Midsummer Night’s Dream war das Haus bis auf ein paar Plätze im zweiten Rang nahezu voll.

Ungewöhnlich auch das hohe Verdienst der Bühnenbildnerin am hervorragenden Gesamteindruck. Bei den drei neueren Produktionen war Kathrin-Susann Brose bereits maßgeblich beteiligt. Im Sommernachtstraum übertrifft sie sich selbst. Ein riesiges weißes Laken reicht ihr aus, um mit Hilfe von neun versierten Technikern und einer raffinierten Lichtregie den Stoff in Wald- und Gebirgslandschaften zu verwandeln, um die verwirrten Liebespärchen zuzudecken und den Verstand der aus den Fugen geratenen Gesellschaft zu verschleiern. Ein genial einfaches, technisch knifflig zu realisierendes Konzept, das Regisseur Michael Schulz freie Hand für eine handwerklich sauber gearbeitete und atmosphärisch dichte Inszenierung lässt. Die Charaktere der jungen Liebenden profiliert er differenziert und spart nicht mit Sinnlichkeit, ohne den von der Musik vorgegebenen zarten Duktus des Stücks zu stören. Das gilt auch für die mit leichter Hand geführten, von jedem Klamauk befreiten Handwerkerszenen. Und zum Elfenspuk tollt der Kinderchor in Punker-Klamotten frisch und frech, aber dennoch unaufdringlich über die Bühne. Puck als trinkfester Landstreicher und Oberon als Zaubermeister aus der schwarzen Romantik komplettieren das bunte, quicklebendige Personal. Dass sich die jungen Liebenden den Weg per Tablet durch das Dickicht bahnen und per Selfie verewigen, ist zwar überflüssig, stört aber auch nicht wesentlich. 

Schön, dass Schulz in seiner Regie aufmerksam auf die feine, narkotisch sanft dahinfließende Musik Brittens achtet. Eine mit bizarren Glissandi und viel Glockenspiel und Harfenklang silbrig aufgehellte Klangkulisse, die bei der Dirigentin Julia Jones in besten Händen liegt. Die Streicher-Glissandi am Anfang geraten noch etwas zu dicklich. Im Verlauf des Abends entfaltet sich aber ein Klangbild von zarter Zerbrechlichkeit, wobei es der Dirigentin gelingt, trotz des durchgängig lyrischen Charakters die Spannung aufrechtzuerhalten.

Und gesungen wird wieder, wie gewohnt in Gelsenkirchen, auf außerordentlich hohem Niveau. Michael Dahmen als resoluter Demetrius mit entsprechend kernigem Bariton, Cornel Frey als Lysander mit hell timbriertem Tenor, Anke Sieloff als verführerische Hermia und Alfia Kamalova als resolute Helena bilden ein glänzendes, rundum ausgewogenes Quartett. Urban Malmberg führt als Bottom eine makellos singende und dezent karikierende Handwerkertruppe an. Matthias Rexroth mit leicht scharfem Countertenor stellt einen recht bösartigen Oberon dar und Bele Kumberger bleibt den kapriziösen Koloraturen der Tytania nur wenig an Geschmeidigkeit schuldig. Klaus Brantzen präsentiert einen handfesten Puck wie aus einem Dickens-Roman. Der erfreulich große und absolut zuverlässig singende Kinderchor sorgt für den nötigen Elfenspuk.

Insgesamt eine erstklassige Leistung, die vom Publikum auch mit entsprechendem Beifall bedacht wird.

Pedro Obiera





Fotos: Karl Forster