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Fakten zur Aufführung 

DAS GESPENST VON CANTERVILLE
(Jean-Philippe Rameau, Henry Purcell, Richard Rogers u.a.)
22. November 2014
(Premiere)

Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen


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Clash der Kulturen

Die amerikanische Familie Otis ist in ihrer Heimat mit der Herstellung und Vermarktung von Haushaltsmitteln äußerst erfolgreich. Jetzt soll der britische Markt erobert werden. Vater Hiram, Mutter Beverley sowie die beiden Kinder Virginia und Washington quartieren sich in Schloss Canterville ein. Dort treibt seit 300 Jahren Sir Simon als Gespenst sein Unwesen. Die Versuche, die ungebetenen Gäste wegzuspuken, scheitern. Hiram Otis will das Gespenst von Canterville für seine Werbezwecke einspannen. Auch die Versuche der Haushälterin Ms Umney, Sir Simon vor den vermeintlich kulturlosen Amerikanern zu schützen, scheitern. Es bleibt an Virginia Otis, Sir Simon von seinem Fluch zu erlösen.

Das Team um Regisseur Carsten Kirchmeier, der in den vergangenen Jahren mehrere Kinderopern am MiR realisiert hat, verlegt die Erzählung Das Gespenst von Canterville von Oscar Wilde in die 1950-er Jahre. Den Clash der Kulturen kontrastieren Kirchmeier und Dirigent Askan Geisler musikalisch. Wie bei den meisten Gelsenkirchener Kinderopern setzt man auf das Prinzip des Pasticcios, das heißt Musik verschiedener Bühnenwerke der Vergangenheit wird neu zusammengesetzt. Die Amerikaner werden mit Broadwaymusik identifiziert, die Briten mit Barockklängen. Das Stück überzeugt zudem durch seinen Humor. Vor allem der American Way of Life und seine Fortschrittsgläubigkeit wird auf die Schippe genommen. Die Geschichte funktioniert auch dank des von Georgios Kolios geschaffenen Bühnenbildes als Kinderoper. Im Zentrum steht die Schlossbibliothek. Mit einfachsten Mitteln werden für das Gespenst durchlässige Wände geschaffen. Passend sind auch die von Kolios entworfenen Kostüme, vor allem die für die amerikanische Familie, die mit ihren satten Farben eine heile Broadwaywelt der 1950-er Jahre in das graue, verstaubte Schloss tragen.

Das Gespenst von Canterville lebt nicht zuletzt vom sechsköpfigen Ensemble. Marcel Kaiser als Washington Otis, Banu Böke als Mutter Beverly und Georg Gädker als Hiram Otis spielen mit viel Witz und Elan. Dem steht Katja Boost als Haushälterin Ms Umney mit britischer Sprödigkeit gegenüber. Maria Alishia Funken zeigt als Virginia Otis neben amerikanischer Durchgeknalltheit auch sensible Seiten. Zudem nimmt man ihr das kindliche Wesen ab – ein wichtiger Aspekt, da sie die Rolle spielt, mit der sich das junge Publikum identifizieren soll. Ronald Zeidler gibt Sir Simon mit aristokratischer Geste, zeigt aber auch dort, wo er als Gespenst bei der Familie Otis scheitert, traurige Facetten.

Der auf Kammerorchestergröße geschrumpften Neue Philharmonie Westfalen gelingt unter der Leitung von Askan Geisler problemlos der permanente Wechsel vom Barock zum Broadway und wieder zurück. Bis auf wenige Ausnahmen nehmen die Kinder im Publikum das komische und musikalisch abwechslungsreiche Stück an. Mit dem Gespenst von Canterville hat das MiR zum wiederholten Male eine Kinderoper auf die Bühne des Kleinen Hauses gestellt, die durch ein intelligentes Konzept zu überzeugen weiß.

Sascha Ruczinski





Fotos: Pedro Malinowski