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Fakten zur Aufführung 

SIEGFRIED
(Richard Wagner)
15. September 2015
(Premiere)

Festspielhaus Füssen


Points of Honor                      

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Dem Meister hätte es gefallen

In einmaliger landschaftlicher Lage liegt das Festspielhaus Füssen am Forggensee. Das Bayreuther Festspielhaus diente architektonisch als Vorlage. 2000 wurde es mit dem Musical Ludwig II eröffnet. Um ihn dreht sich alles in Füssen. Neuschwanstein und Hohenschwangau dominieren mit ihrem Anblick und den Millionen Besuchern jedes Jahr. Bei König Ludwig denkt man schnell an Richard Wagner, der seine künstlerische Entfaltung dem Gönner Ludwig verdankt. Mit diesem Potenzial wurde das Haus gebaut und nun kommt erstmals Richard Wagners  umfangreichstes Werk Der Ring der Nibelungen als Gastspiel der Oper Sofia ins Allgäu und kürt das Festspielhaus als große Opernbühne. Ein bemerkenswertes Ereignis und ein Kraftakt für die Veranstalter.

Die Oper Sofia hat das Jubiläumsjahr 2013, den 200. Geburtstag Richard Wagners, zum Anlass genommen, den ersten Ring auf dem Balkan zu realisieren mit ausschließlich bulgarischen Künstlern. Bulgarien ist Mitglied der europäischen Union, aber wirtschaftlich ein Schlusslicht, gebeutelt von Korruption und Misswirtschaft. Plamen Kartaloff, seit 10 Jahren Intendant der Oper, hat sich für dieses aufwändige Projekt entschieden, um im Haus als auch im Land ein Zeichen für die Leistungsfähigkeit und das kulturelle Leben zu setzen. Vielbeachtet ist das Ergebnis im vergangenen Jahr in Sofia erfolgreich über die Bühne gegangen. Der Intendant führt selbst Regie und bemüht sich um beste Werktreue zur Freude der Traditionalisten. Im ganzen Ring wendet er die mis-en-scene-Architektur an. Es wird erzählt und die Geschichte der Tetralogie bildlich gelebt.

Da kommt Siegfried im Wald auf die Welt, Mime schnappt sich das Baby und die Bruchstücke von Notung. Klein-Siegfried rennt über die Bühne und spielt mit Mime. Alles wirkt natürlich in einer fließenden Choreographie. Eingebettet im Bühnenbild von Nikolay Panayotov mit seinen typischen geometrischen Elementen Kreis, Kegel, Mandorla – ein verengter Kreis in Mandelform. Diese Bauelemente setzen jeweils das Bühnenbild zusammen. So deuten zwei Halbkreise den Eingang zu Mimes Schmiede oder ein Kreis im Netz Alberichs zur Neidhöhle an, die Mandorla wird zum Liebesnest von Siegfried und Brünnhilde sowie der neuerlichen Vereinigung von Erda und Wotan. Panayotofs Kostüme sind ein undefinierbarer Mix aus Raumfahrt, Hippie oder Faschingskostüm mit skurrilen Kopfbedeckungen oder Frisuren. Große Bedeutung kommt der wirkungsvollen, elektronisch programmierten Lichtregie von Georgi Hristov zu, die die Bühnenelemente effektvoll in lodernde Flammen, leuchtende Wege, verwunschene Höhlen und Wälder verwandelt. Es passt alles zusammen in dieser märchenhaften Stilisierung, die mit den Mängeln der Bühnentechnik des Hauses bei so manchem Umbau kämpft.  

Besonders ist auch die Akustik, der Klang im Haus. Ähnlich seinem Vorbild Bayreuth sitzt das Orchester uneinsehbar im tiefen Graben. Mit einer Muschel wird die Musik zuerst auf die Bühne geleitet. Der Dirigent des Zyklus, Erich Wächter, kommt gut zurecht mit diesen speziellen Verhältnissen und führt lebhaft, aber nicht flott im Tempo. Seine Interpretation mutet kammermusikalisch, die Orchestergruppen bleiben klar separiert, selten ergibt sich ein ausladender Wasserfall an breiten romantischen Melodiebögen. Es fließt, malt Bilder und bleibt leicht und offen. Der Zuschauer wird zum aktiven Mithörer anstatt zum Zuhörer.

Den Sängern erleichtert das alles merkbar die Aufgabe. Einmal sind sie dem Publikum durch den förmlich fehlenden Orchestergraben sehr nahe und werden vom Orchester nie zugedeckt. So konzentrieren sie sich spürbar auf ihre Artikulation und Verständlichkeit. Die Vokale werden übermäßig ausgesungen, T und S werden pointiert, die Herausforderung, Wagner in der Fremdsprache Deutsch aufzuführen, zeigt sich deutlich. Besonders Kostatin Andreevs Darstellung als Siegfried leidet darunter wie auch durch seine schwächelnde Höhe und lyrisch angelegte Stimme. Aber er versteht es, mit seiner Kraft über den gesamten Abend hauszuhalten und bleibt präsent bis zum finalen Liederduett mit Radostina Nikolaeva als Brünnhilde, die sich leichter im deutschen Fach bewegt und strahlt. Kühl im Spiel, wirkt ihre Liebe noch nicht mit Feuer entfacht. Krasimir Dinev als Mime und Biser Georgiev als Alberich sind zwei überzeugende und stimmlich gut besetzte Nibelungen, die ihr dunkles Spiel im Wald treiben. Herrschaftlich kräftig und sonor sowie in der Sprache sicher ist Nikolay Petrov als Wanderer.

Sicherlich fallen an diesem Abend verschiedene Defizite auf, aber man muss die Leistung aller Beteiligten insgesamt höchst anerkennen. Die wohl anspruchsvollste musikalische Schöpfung als Gastspiel ohne große Probenzeit in einem nicht als ständigen Betrieb geführten Festspielhaus mit einem Hausensemble und begrenzten Mitteln umzusetzen, ist mutig und in der Ausführung gut gelungen. Das angereiste Publikum setzt sich aus eisernen Wagnerianern im internationalen Sprachenmix zusammen und belohnt die Leistung aller herzlich und heftig.

Helmut Pitsch

 

Fotos: Svetoslav Nikolov