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Fakten zur Aufführung 

HEIMATKLÄNGE
(Zoltàn Kodaly, Joseph Haydn, Antonín Dvořák)
16. Januar 2015
(Premiere)

Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt an der Oder


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Ohne Grenzen - Bez granic

Carl Philipp Emanuel Bach hätte sich in dieser Konzerthalle wohl gefühlt: Die nach ihm benannte gotische Hallenkirche am Oderufer in Frankfurt in Blickweite der polnischen Stadt Slubice hat ihre heutige, dreischiffige Grundgestalt bei einer Renovierung 1735 erhalten. Vom ursprünglichen Franziskanerkloster über eine mehrfache Zuordnung zur Universität Viadrina und der Stadt Frankfurt an der Oder bis zur endgültigen Umwidmung zu heute genutzten Konzerthalle spiegelt dieser hochgotische Bau die bewegte Geschichte der Stadt an der deutsch-polnischen Grenze. Die drei hohen Gewölbe mit ihrem reich gegliederten Sterngewölbe und neuen, floralen Malereien schmücken einen Raum, der in festlicher Ausstrahlung und überwältigendem Klang seinesgleichen sucht. Peter Sauerbaum, Intendant des Hauses, ist stolz auf diese grenzüberschreitende Wirkung.

Einen besseren Spielort mit angebauten Übungsräumen kann sich das Brandenburgische Staatsorchester, mit über 84 Stellen das größte Orchester im Land Brandenburg, kaum wünschen. Das gut besuchte Konzert präsentiert heute Werke, die in verschiedenen Ländern entlang der Oder erstmals erklungen sind. Howard Griffiths, bekannt für seine originellen Programmeinfälle, beginnt den Abend mit Tänzen aus Galánta des ungarischen Komponisten Zoltan Kodály. In vier Sätzen greift Kodály immer wieder auf Nationaltänze zurück, wie er sie bei verschiedenen Zigeunergruppen in der slowenischen Galánta gehört und gesehen hat. Entsprechend fröhlich, lebhaft und schnell eilt er durch die Sätze. Nach einem einführenden Lento läuft das Thema durch die verschiedenen Instrumentengruppen und nimmt an Tempo zu. Immer häufiger tauchen tänzerische Passagen auf, wie sie etwa im zweiten Satz eine klangvolle Klarinette weiter trägt. Geschickt und abwechslungsreich nutzt Kodály die unterschiedlichen Klangfarben der Instrumente und betont weiter die tänzerischen Elemente. Der Gesamteindruck der Tänze bleibt rhythmisch und klanglich eher unruhig und uneinheitlich, die musikalische Phrasierung erzeugt kein einheitliches Klangbild.

Damit hat der russische Solotrompeter Sergei Nakariakov im folgenden Konzert für Trompete und Orchester Es-Dur von Joseph Haydn nun gar keine Probleme. Die Trompete steht als führendes Instrument im Vordergrund, und Nakariakov nutzt virtuos und spielerisch die Möglichkeiten seines Instrumentes. Der vielfach, ausgezeichnete Solist beherrscht die von Haydn für seine musikalischen Zwecke entwickelte Klappentrompete perfekt, und mancher Zuhörer wird überrascht sein, in diesem Konzert chromatische Passagen oder leicht schwebende Triller der Trompete zu hören. Das Publikum ist begeistert, der Beifall verlangt Nakariakov fünf Mal auf die Bühne. Natürlich lassen ihn die Zuhörer erst nach zwei Zugaben gehen. Mit dem Paradestück Hora Staccato von Grigoras Dinicu brilliert Nakariakov ein weiteres Mal, und schließt seinen Part mit einer gefühlvollen Arie aus der Orchestersuite D-Dur von J. S. Bach, gespielt auf dem Posthorn.

Den Höhepunkt des Konzertabends bildet zweifellos Dvoraks Sinfonie Nr. 9 Aus der neuen Welt. Schon im Eingangssatz klingt versteckt und verspielt das bekannte Leitthema an, das schließlich mit vollem Orchester als strahlendes Finale die neue Welt ankündigt. In der hohen, wenig geschmückten Hallenkirche wirkt das mächtig und phantastisch. Besonders berührend klingen im Largo die Holzbläser, wenn sie das Thema weiter entwickeln, forttragen und zu einem zarten, fast zerbrechlichen Klang führen. Spielerisch, fröhlich, mit häufigen Paukenakzenten bereitet das Scherzo im dritten Satz das Bild der neuen Welt vor, das im Finale „con fuoco“ mächtig in den Vordergrund tritt und mit viel Blech zum strahlenden Schluss führt. Hier lässt das gesamte Orchester noch einmal die „Neue Welt“ musikalisch glänzen.

Howard Griffths hat mit dem bestens aufeinander eingespielten Brandenburger Staatsorchester sehr unterschiedliche Heimatklänge präsentiert. Die Zuhörer erleben die Oder, die viel zu häufig als trennende Grenze genutzt und empfunden wurde, als Verbindung von Musik unterschiedlichster Heimat. Das multinationale Publikum empfindet dieses Verbindende der Musik und bedankt sich mit lang anhaltenden Ovationen.

Horst Dichanz





Fotos: Tobias Tanzyna