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Fakten zur Aufführung 

RUSALKA
(Antonín Dvořák)
27. Mai 2015
(Premiere am 23. Mai 2015)

Aalto-Theater Essen


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Rusalka in der Zwangsjacke

Dass Antonín Dvořáks Märchenoper Rusalka in tiefe seelische Schichten der Figuren eindringt, ist wohl bekannt. Regisseurinnen scheinen dieses Phänomen besonders feinfühlig zu spüren. So Elisabeth Stöppler in Gelsenkirchen und Ewa Teilmans in Aachen mit sehr subtilen Seelenstudien, die hinter der märchenhaften Folie die inneren Konflikte der unglücklichen Seejungfrau und ihres Prinzen aufdecken. Lotte de Beer geht in ihrer Essener Neuinszenierung noch einen Schritt weiter und taucht tief in psychoanalytische Gedankenspiele ein, die in ihrer Bedeutungsschwere das zarte melancholische Kolorit der Musik überfrachten. Die drastische Darstellung der inneren und äußeren Konflikte verleitet die Regisseurin immer wieder zu Abwegen in einen detailversessenen, letztlich oberflächlich wirkenden Bühnen-Realismus. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Rusalka erlebt ihren Wunsch nach menschlicher Wärme in der therapeutischen Badewanne einer psychiatrischen Anstalt des frühen 20. Jahrhunderts. Der See präsentiert sich in den Bühnenbildern von Clement & Sanôu als eine Flotte trostlos uniformer Badewannen, der Mond als klinische OP-Lampe. Krankenschwestern agieren fleißig mit Zwangsjacken und Beruhigungsspritzen. Ein Dr. Freud legt die Titelheldin wiederholt auf die Couch. Das Schluss-Duett verbringen Rusalka und ihr Prinz im akustisch unvorteilhaft engen Gewölbe einer Krankenhaus-Zelle. Keine Schwimmflossen, es sind die Korsetts und die Zwangsjacken, die die Arme und Beine der Patientinnen binden. Die unglückliche Liaison mit dem Prinzen stellt sich als Wahnvorstellung einer hysterisch überdrehten Person dar.

Das alles lässt de Beer schrill und laut ausspielen. Überbordender Klinik-Realismus und hysterische Überdrehtheit der Patienten übertönen die durchweg sorgfältige und durchdachte Personenführung, die sich in lichten Momenten der Aufführung andeutet. Die Arbeit einer begabten, einfühlsamen und nachdenklichen Regisseurin, die allerdings in Konflikt mit ihrem Ehrgeiz gerät, zu viele Details ihrer Konzeption zu deutlich darstellen zu wollen. Wie gesagt: Weniger wäre mehr gewesen.

Ungetrübte Glücksgefühle lösen Tomaš Netopil und die Essener Philharmoniker aus, die in harmonischer Eintracht die Leuchtkraft, die dramatische Substanz und vor allem das spezifische melodische Kolorit der hinreißenden Partitur nahezu perfekt zum Klingen bringen. Dass Dvořáks Musik für den tschechischen Dirigenten eine Herzensangelegenheit ist, hört man jedem Ton an. Eine auch orchestral bis in die kleinste Fassette subtil ausgelotete Leistung, die durch ein vorzügliches Ensemble ergänzt wird.

Sandra Janušaitė bringt für die Titelpartie alles an lyrischer Wärme, dramatischer Substanz und ungebrochener Kondition mit, was die Rolle verlangt. Konditionell tut sich Ladislav Elgr als Prinz zwar etwas schwerer, dennoch steht er die kräftezehrende Partie beeindruckend durch und kann seinen schönen, biegsamen Tenor wirkungsvoll zur Geltung bringen.

Mit sonorer Stimmfülle präsentiert Almas Svilpa den Wassermann. Lindsay Ammann mit ihrem samtenen Mezzo lässt als Hexe Ježibaba keinen Wunsch offen, das Nixenterzett ist mit Christina Clark, Liliana de Sousa und Ieva Prudnikovaite fast luxuriös besetzt und auch alle anderen kleineren Rollen passen sich dem glänzenden vokalen Niveau an. Nicht zuletzt auch der Opernchor des Aalto-Theaters in der Einstudierung von Patrick Jaskolka.

Das Publikum reagiert begeistert auf die musikalischen Protagonisten, die der Essener Opernsaison einen würdigen Abschluss verleihen.

Pedro Obiera

Fotos: Bettina Stöß