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Fakten zur Aufführung 

ROMEO UND JULIA
(Sergej Prokofieff)
1. November 2014
(Premiere)

Aalto-Ballett Theater Essen


Points of Honor                      

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Brav in Tanz und Ton

Während Martin Schläpfer an der deutschen Oper am Rhein das Publikum mit extrem artifiziellen, abstrakten Choreografien fordert, während die Kollegen am Musiktheater im Revier nicht ganz so kompromisslos Beliebtes in neuer und durchaus origineller Verpackung bieten, scheint sich Ben van Cauwenbergh mit dem Aalto Ballett scheinbaren Publikumserwartungen so weit auszuliefern, dass er selbst ein durch schroffe Akzente und harte Konturen geprägtes Stück wie Sergej Prokofieffs Romeo und Julia weichspült wie ein Weihnachtsmärchen. Geeignet für die ganze Familie, wäre es nicht so lang.

Nichts gegen die Absicht, durch volle Häuser die Existenz der vom Rotstift als erstes bedrohten Ballett-Sparte sichern zu wollen. So brav und harmlos kann man mit einem solch fassettenreichen Geniestreich allerdings nicht umgehen. Dass es anders geht, hat David Dawson an gleicher Stelle unlängst mit Adolphe Adams Publikumsrenner Giselle bewiesen.

Im Grunde macht es Prokofieff mit seiner plastischen, pointierten Musik den Akteuren relativ leicht, den Stimmungsgehalt der Szenen erfassen zu können. Der Komponist findet unübertrefflich zarte Töne für die Liebesgeschichte und ebenso brutal-schroffe Klänge für das familienpolitische Umfeld. Geht man darauf ein, ist für ein Spannungsfeld gesorgt, das auch für einen recht langen Abend ausreichen dürfte.

Allerdings erklingt die Musik unter der routinierten Stabführung von Yannis Pouspourikas am Pult der nicht sonderlich motiviert aufspielenden Essener Philharmoniker wie eine unpersönliche, farblose und jeden Kontrast nivellierende Klangfolie. Eine uninspiriert dahinplätschernde Leistung, die sich in der Choreografie Ben van Cauwenberghs auf der Bühne – wenn auch in milderer Form – fortsetzt. Die brutalen Gewaltexzesse der familiären Fehden werden ebenso abgefedert wie die emotionalen Ekstasen des Liebespaars. Irgendwie wirkt alles nett und harmlos, ohne die glühende Tragik des Stoffs voll zu erfassen.

Dass Cauwenbergh auf der schwarzen, ab und zu mit Bogengängen versehenen Bühne und mit den neutralen Kostümen von Thomas Mika auf jeden historisierenden Pomp verzichtet, reicht nicht aus, um den Gehalt des Stoffs überzeugend freilegen zu können.

Es sind allenfalls Details, und nicht einmal die wichtigsten, die eine persönliche Handschrift des Choreografen erkennen lassen. Etwa sein Versuch, Pater Lorenzo zu einer zentralen Figur aufzuwerten, indem er ihn stärker als gewohnt beschwichtigend eingreifen lässt. Allerdings bereitet gerade diese Figur jedem Choreografen große Probleme, bewegt sich ein tanzender Priester doch immer an der Grenze zur Parodie.

Besser gelingt die Profilierung der Amme, die mit Primaballerina Adeline Pastor geradezu luxuriös besetzt ist und die ihre teils komödiantisch, teils mitfühlend gefärbte Rolle erfreulich vital ausspielt. Yanelis Rodriguez präsentiert eine erfreulich mädchenhafte Julia von zerbrechlicher Anmut. Ihre Tänze mit dem gleichwertigen Breno Bittencourt als Romeo gehören zu den Höhepunkten der Produktion, auch wenn den Zuschauern in den großen Pas de deux‘ noch die letzte Prise an Intensität vorenthalten bleibt. Was freilich am wenigsten den Tänzern anzulasten ist.

Die durchweg vorzügliche Besetzung aller Rollen zeigt, welches Potenzial der Essener Ballett-Compagnie zur Verfügung steht. David Dawson hat das in der Giselle besser nutzen können.

Dennoch viel Beifall für einen hübsch anzusehenden Ballett-Abend.

Pedro Obiera

 

Fotos: Bettina Stöß