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Fakten zur Aufführung 

TANNHÄUSER
(Richard Wagner)
6. September 2015
(Premiere am 4. April 2010)

Südthüringisches Staatstheater,
Wartburg


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Auf Tuchfühlung mit Heinrich von Ofterdingen

Dich teure Hallen – wer hat hier noch nicht seine Phantasie angeworfen und sich ein Bild vom ritterlichen Festsaal gemacht? Zumal wenn moderne Inszenierungen über das Ziel hinausgeschossen sind. Das Staatstheater Meiningen in Kooperation mit dem Landestheater Eisenach und der Wartburg veranstalten wieder regelmäßig im Frühjahr und Herbst das Live-Erlebnis Richard Wagners Tannhäuser  oder der Sängerkrieg auf der Wartburg exakt am historischen Platz des Geschehens. Idyllisch auf dem Hörseelenberg, hoch über der Stadt gelegen, sind dieser Ort und die Umgebung voll von historischen Schätzen, bedeutenden Ereignissen, Erzählungen und Sagen. Der landgräfliche Ansitz galt einst als Zentrum mittelalterlichen Kulturlebens, Minnesang und Dichtung erlebten dort eine Blüte. Die ungarische Königstochter Elisabeth wurde als mildtätige, fromme Gemahlin des Landesfürsten Ludwig später ob ihrer guten Taten heiliggesprochen. Um die Höhlen des Hörseelenbergs ranken sich mystische Sagen von klagenden Seelen, deren Rufe man hören kann. Eine heidnische Frauengestalt war im Berg verwünscht und lockte mit ihrem Gesang und Liebeszauber und wurde als Venus oder auch Götterweib verehrt. Am Ende des Mittelalters kam die Wartburg erneut zu Weltruhm als Versteck Martin Luthers. Zehn Monate hielt er sich dort in einer einfachen, geräumigen Kammer auf und übersetzte dort die Bibel in seine deutsche Muttersprache. Dem Verfall der mächtigen Burganlage wurde in der Romantik im 19. Jahrhundert ein Ende gesetzt und die Ruine mit dem wiedererwachten Interesse am Mittelalter, wissenschaftlich betreut, prachtvoll restauriert. Auch Franz Liszt war involviert, und seiner Empfehlung, eine trapezförmige Kassettendecke in den Ritersaal einzubauen, verdanken wir jetzt die ausgezeichnete Akustik bei Konzerten und eben diesen romantischen Opernaufführungen. Draußen pfeift der Wind, Regenwolken sind den abendlichen Sonnenstrahlen gewichen, auch ein leichter Regenbogen ist von hoch oben über der Stadt zu sehen. Ausgedehnte Waldflächen bedecken die Hügel der Umgebung. Ein paar moderne Windräder lassen die Neuzeit erkennen. Über die alte Zugbrücke betritt man die Festungsanlage, durch einen länglichen Hof gelangt man in den großzügigen Innenhof mit dem Palas, dem Wohntrakt der Landesfürsten und dem ritterlichen Prunksaal mit den Gemälden von Moritz von Schwind. Die Abendsonne legt noch eine Schicht Romantik auf die Idylle, Blechbläser rufen feierlich die Wagnerianer in den Saal. Dicht gereiht finden etwa 300 Musikbegeisterte ehrfurchtsvoll Platz in dem langgezogenen Saal. Das Orchester spielt sich im hinteren Teil ein, danach ein schmales erhöhtes Podest als Bühnenraum vor den Zuschauerreihen. Mosaike, Wandteppiche, Standarten, offene Kamine und mittelalterliche Butzenfenster schmücken den Raum. Ein Gang entlang des Saales, abgetrennt durch Säulenarkaden, dient als Zugang für Zuschauer, Sänger, Musiker und Choristen. Stimmungsvoll wird das Licht gedimmt, und die Meininger Hofkapelle unter der Leitung von GMD Philippe Bach erklingt leicht und spielerisch aus dem Nichts kommend und füllt den Raum. Schnell erkennt man, dass die Beteiligten mit den räumlichen Zwängen gut zurechtkommen.

Astrid Weber als Venus und Elisabeth weiß ihren kräftigen Sopran zu steuern, vermeidet forcierte Höhen oder überdramatische Ausbrüche. Dabei hilft sie auch Paul Mc Namara als Titelheld, der eine schöne, aber kleine Stimme besitzt und geschickt Energie für die Rom-Erzählung aufspart, die ihm dann eindrucksvoll gelingt. Dae Hee Shin glänzt als Wolfram von Eschenbach in seinem Klagelied an den Abendstern. Besonders der zweite Akt mit dem Einzug in die teuren Hallen und anschließendem Sängerkrieg entwickelt sich zum prickelnden Höhepunkt des Abends. Der Chor umnebelt die Zuhörer von der Empore. Das Geschehen wird fühlbarer intim, ungewollt wird man zum Gast des Landgrafen Herrmann im Saal und in eine andere Zeit versetzt. Ansgar Haag, Intendant des südthüringischen Staatstheaters, führt Regie in dieser puristischen, von der Räumlichkeit lebenden Atmosphäre. Mit wenigen Bewegungen, aber unter Einbezug des gesamten Raumes wird der Abend nach höfischer Sitte gestaltet. Ritterlich-mittelalterlich sind die Kostüme von Stephanie Geiger, ohne Prunk, aber mit etwas Farbe gestaltet.

Es passt alles an diesem Abend, und das Publikum bringt seine breite Zustimmung kräftig zum Ausdruck. Von der Erlösung gerührt, verlässt die Schar den in Dunkelheit gebetteten Burgberg und kehrt von seinem Historienabenteuer ins Jetzt zurück.  

Helmut Pitsch