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Fakten zur Aufführung 

MANON
(Kenneth MacMillan)
7. Februar 2015
(Gastspiel)

Ballett am Rhein Düsseldorf
Duisburg, Oper Düsseldorf


Points of Honor                      

Musik

Tanz

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Romantisch und expressiv

Manon, die abendfüllende Tanz-Adaption des berühmten Roman-Stoffs des Abbés Prevost durch Sir Kenneth MacMillan, genießt seit ihrer Londoner Uraufführung vor gut 40 Jahren Kultstatus. In den letzten Jahren wurde es unter anderem in London und Wien und 2014 mit großem Erfolg vom Ballett des Moskauer Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheaters neu einstudiert. Drei Tage ist die russische Truppe auf Einladung der Deutschen Oper am Rhein im Düsseldorfer Opernhaus zu Gast, und die Besucher der nahezu ausverkauften Vorstellungen genießen spürbar die Begegnung mit einem waschechten Handlungsballett. Ein Genre, mit dem man hier zurzeit nicht verwöhnt wird. Martin Schläpfer, dem Ballett-Direktor der Rheinoper, bieten solche Gastspiele einen reizvollen Kontrast zu seiner abstrakten Tanzästhetik, und Kontakte zwischen russischen und deutschen Künstlern sind heute mindestens so wertvoll wie zu den frostigen Tagen des „Kalten Krieges“. Umso mehr freut sich Schläpfer auf den Gegenbesuch in Moskau im Juni mit seiner Choreografie von Mahlers 7. Symphonie.

Vor 40 Jahren irritierte MacMillans Deutung des Manon-Stoffs durch ihre expressive Bewegungssprache und ihren gänzlichen Verzicht auf Schwäne, Feen und Tutus. Qualitäten, die nichts von ihrer Frische eingebüßt haben, auch wenn manche Genre-Szene mittlerweile etwas hausbacken wirkt und heute mehr mit Licht gearbeitet wird als mit realistisch-pittoresken Dekorationen, wie sie Nicholas Georgiadis 1974 für MacMillan schuf. Vor allem der zweite Akt, nahezu ausschließlich auf eine große Ballszene im Salon des reichen Monsieurs G.M. ausgerichtet, zeigt mit seiner dramaturgisch eher bremsenden Folge etlicher Tanzeinlagen unnötige Längen. Um den bornierten Egoismus der reichen Gesellschaft zu demaskieren, wirkt das angedeutete Gangbang-Szenario doch zu harmlos. Dafür kommen die Konflikte zwischen Manon, ihrem Liebhaber Des Grieux und ihrem Gönner und „Aushälter“ Monsieur G.M. wesentlich zu kurz.

Die Stärken der Choreografie liegen in den großen Pas de deux‘, die die Solisten des Stanislawski-Balletts mit emotionaler Intensität ausführen. Anna Ol, die Primaballerina der besuchten Vorstellung, verkörpert mit perfektem Spitzentanz ein im Grunde unschuldig gebliebenes Mädchen, das sich nicht aus berechnendem Luxustrieb dem alten Gönner hingibt, sondern aus purer Existenznot. Semyon Velichko bietet als Des Grieux einen schmucken Liebhaber wie aus dem Bilderbuch. Raffinierte Skrupellosigkeit kennzeichnet Manons Bruder Lescaut in der Darstellung von Alexey Lyubimov, wobei sich aufgrund der mehrfachen Besetzung der Hauptrollen an den drei Aufführungstagen unterschiedliche Eindrücke einstellen können.

MacMillan rafft die Handlung stark zusammen, um Platz für dankbare Tanzeinlagen zu schaffen. Schade, dass ausgerechnet die Schlussszene mit dem Tod Manons sehr kurz gehalten wird. Und das auch noch zu pathetischen Klängen, die der Version melodramatische Akzente verleihen, die MacMillan eigentlich vermeiden wollte.

Die Musikauswahl wirft ohnehin einige Fragen auf. Martin Yates wählte und orchestrierte ausschließlich Musik von Jules Massenet, allerdings keinen Takt aus dessen stärksten Opern, etwa dem Werther oder eben der Manon. Dafür gibt es eine Menge an Konfektionsware zu hören, die die im Grunde brutale Handlung immer wieder abfedert. Felix Korobov am Pult der flexibel reagierenden Duisburger Philharmoniker führt mit großem Klang und viel Herzblut durch den recht langen Ballettabend.

Begeisterter Beifall für ein reizvolles Kontrastprogramm des Ballett-Angebots der Deutschen Oper am Rhein.

Pedro Obiera

 

Fotos: Oleg Chernous