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Fakten zur Aufführung 

ARIADNE AUF NAXOS
(Richard Strauss)
27. September 2014
(Premiere)

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf


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Hübsch altbacken

Es ist unruhig im Saal. Aus nicht ersichtlichem Grund findet das Publikum nur sehr zögerlich zu den Plätzen. Noch wird, ganz im Sinne Hugo von Hofmannsthals, die Bühne hektisch eingerichtet, während das Orchester letzte Proben vornimmt. Nach offiziellem Vorstellungsbeginn bleibt das Saallicht eingeschaltet. Regisseur Dietrich W. Hilsdorf liebt diese fließenden Einstiege, auch wenn sie das Publikum lange nicht zur Ruhe kommen lassen. Wo Hilsdorf ist, müssen Bühnenbildner Dieter Richter wie Kostümbildnerin Renate Schmitzer in der Nähe sein. Als Hofmannsthal seine Angaben für die Gestaltung des Dekorativen in Ariadne schrieb, war das innovativ. Richter übernimmt die Angaben – rund hundert Jahre später. Das Orchester wird im rückwärtigen Bühnenraum platziert, abgeteilt durch einen Gazevorhang mit dem Bild der Toteninsel von Arnold Böcklin aus dem Jahr 1883. So geht der direkte Kontakt des Dirigenten mit den Sängern vollständig verloren. Spielfläche ist der abgedeckte Graben, das Gesamtbild weicht von dem einer Probenbühne nicht sehr ab, Prospekte und Kulissen bleiben sichtbar. So hat es sich der Librettist damals gewünscht. Auch die Kostüme gestaltet Schmitzer durchaus im Stil der Zeit, fantasievolle Abweichungen gestattet sie sich. Das ist hübsch anzusehen, wie „richtige Oper“ eben. Der einstige Avantgarde-, oder um es populärer auszudrücken: Skandal-Regisseur hat offenbar den Rückwärtsgang eingelegt. Alles ist brav und bieder, die wenigen „Gags“ gehen dann auch noch nach hinten los. Wenn Haushofmeister Peter Nikolaus Kante seine Anweisungen aus der Mitte des Zuschauerraums via Mikrofon übermittelt, muss jedes Mal eine halbe Reihe aufstehen, um den Sänger vorbeizulassen. Dasselbe natürlich auf dem Rückweg noch einmal. Wird die „Oper in einem Aufzug nebst Vorspiel von Hugo von Hofmannsthal“ in deutscher Sprache mit Übertiteln angekündigt, stimmt das nur teilweise. Übertitel gibt es nämlich nur den Ariadne-Teil, und auch da wird noch spaßeshalber gemurkst. Übertitel sind aber keine Spielerei, sondern dienen der Verständlichkeit der Oper und haben schon manchen Sänger, manche Sängerin gerettet, die zwar hübsch, aber unverständlich gesungen haben.

Das beste Beispiel dafür ist Maria Kataeva, die in der Hosenrolle des Komponisten debütiert. Sehr glücklich wirkt sie ohnehin nicht in ihrer Rolle, lässt an Ausstrahlung vermissen. Schön singt sie, ohne dass man sie ernsthaft verstehen könnte. Das passiert auch anderen. Obwohl es insgesamt ein Abend des schönen Gesangs wird. Sehr luxuriös besetzt ist der Musiklehrer mit Stefan Heidemann. Warum Florian Simson den Tanzmeister extrem tuntig darstellen muss, erschließt sich nicht. Lustig ist es jedenfalls nicht. Aber singen kann er. So wie auch die drei Nymphen – Elisabeth Selle, Lavinia Dames und Iryna Vakula – ihre schönen Stimmen formvollendet präsentieren. Karine Babajanyan zeigt als Primadonna beziehungsweise Ariadne, wie man so singt, dass es das Publikum auch versteht. In der Rolle der depressiven Ariadne wird es ihr dabei vergleichsweise leicht gemacht, singt sie doch nahezu ausschließlich Rampe. In der Konsequenz nervt das. Star des Abends ist eindeutig der Neuzugang vom Theater Krefeld Mönchengladbach. Elena Sancho Pereg ist seit dieser Spielzeit im Ensemble der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg. Und haut dich als Zerbinetta um. Nach ihrer Koloraturarie ist vorübergehend Schluss mit der Vorstellung. Bravo-Rufe und nicht enden wollender Applaus lassen über Minuten keine Fortsetzung zu. Was sie von der Babajanyan unterscheidet, ist die Spielfreude und das gewagtere Bild, das Hilsdorf dann aber auch noch züchtig über die Bühne bringt. Im Kostüm ein wenig unglücklich, präsentiert sich Roberto Saccà als grandioser Bacchus, seine Stimme ist an diesem Abend ein Geschenk. Was der Mann als Tenor an Volumen, Nuancen und Verständlichkeit vollbringt, bekommt man nur selten zu hören. Hier hat Hilsdorf offensichtlich die Textstelle überlesen. Wo es um radikalen Sex geht, lässt der Ariadne und Bacchus auf ein Weinchen zusammensitzen.

Derweil tobt Axel Kober sich mit den Düsseldorfer Symphonikern an der Strauss-Musik aus. Das Orchester bleibt, wo es ist: im Hintergrund. Das ist stellenweise absolut sinnvoll. So entsteht eine gelungene Balance zwischen Musik und Sängern, die im Graben vermutlich so nicht gelungen wäre.

Das Publikum rastet nach mehr als anderthalb Stunden ohne Pause sitzenderweise schier aus. Gejohle und Bravo-Rufe nehmen kein Ende. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man Claqueure vermuten. Aber der sehr differenzierte Applaus für Sancho Pereg, Saccà, Babajanyan, das Orchester und so weiter zeigt ein klares Bild. Das allerdings Hilsdorf und sein Team in die grandiosen Ovationen ohne jeglichen Widerspruch einbezogen werden, stimmt nachdenklich. Wollen wir die „gute alte Oper“ wieder?

Michael S. Zerban





Fotos: Hans Jörg Michel