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Fakten zur Aufführung 

AIDA
(Giuseppe Verdi)
28. November 2014
(Premiere)

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf


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Aida als Kammeroper

Es kommt nicht häufig vor, dass Kostüme eine Inszenierung so stark prägen wie die kostbaren Roben und Uniformen, die Gesine Völlm für die Neuinszenierung von Verdis Aida an der Deutschen Oper am Rhein schneidern ließ. Für Händels Xerxes tat sie das bereits an gleicher Stelle vor einem Jahr. So üppig der textile Aufwand, so sehr halten sich sowohl Regisseur Philipp Himmelmann als auch Generalmusikdirektor Axel Kober mit äußerem Pomp zurück. Sie sind sich einig, dass Verdis Aida ungeachtet des provozierenden Triumphmarschs eher als intimes Kammerdrama zu verstehen ist. Kober gelingt es nicht durchgehend, die Musik an so kurzer Leine zu halten und sich der Partitur auf Zehenspitzen zu nähern. Es gibt auch etliche grobe Klänge von den Düsseldorfer Symphonikern zu hören. Himmelmann zieht das Konzept konsequenter durch und investiert viel Detailarbeit in die filigrane Ausarbeitung der Dreiecksgeschichte. Die großen Chorszenen behandelt er eher beiläufig und recht statisch. Gleichwohl: Mit ihrer Einschätzung haben beide Recht, auch wenn sich so eine ungewohnt einseitige Interpretation ergibt.

Ob bei diesem Ansatz Morenike Fadayomi als Idealbesetzung für die Titelpartie betrachtet werden kann, ist Geschmackssache. Was die darstellerische Präsenz und die dramatischen Impulse der Partie angeht, lässt sie keinen Wunsch offen. Allerdings hat ihre Stimme nach etlichen Ausflügen in hochdramatische Grenzbereiche vor allem in den Höhen an der nötigen Biegsamkeit und Wärme verloren. Die vielen lyrischen Fassetten der Rolle kommen nicht zur Geltung.

Das gelingt Sergej Khomov als Radames überzeugender. Zumindest in der Lesart Kobers. Khomov verfügt über keinen klassischen „Spinto“-Tenor, sondern klingt und wirkt im Umfeld der Inszenierung wie ein Bruder Werthers oder Hoffmanns aus den Federn Massenets oder Offenbachs mit einem entsprechenden Zugewinn an lyrischen Farben.

Und damit fügt er sich auch in die Inszenierung Himmelmanns ein, der das ganze Werk in einen Salon des Entstehungsjahres 1871 verlegt, drapiert mit ein paar Palmen und einer Nofretete-Büste: Verdis Ägypten, betrachtet aus der Perspektive einer europäischen Kolonialmacht, die die exotische Aida als Hausmädchen hält. Die dunklen Kulissen von Johannes Leiacker füllen sich rasch mit Särgen, so dass die Oper wie ein Requiem auf eine untergehende Epoche wirkt. Optisch belebt wird das Szenario lediglich durch die besagten prächtigen Kostüme. Die 160 aufwändigen Garderoben mit Rüschen, Borden, Roben, Uniformen und Hüten vom Feinsten verfehlen ihre Wirkung nicht und verwässern erstaunlicherweise auch nicht die asketische Lesart Himmelmanns. Umso deutlicher hebt sich die Titelfigur in ihrem schlichten Dienstmädchen-Outfit vom glamourösen, aber dezent-dekadent eingedunkelten Umfeld ab.

Auch der Triumphmarsch ist eher als Trauerzug angelegt, unspektakulär und ohne jede ironische Brechung. Im Grunde leben alle Figuren vom ersten Takt an in einer Gruft. Das vermittelt Himmelmann recht überzeugend, wobei ihm die Bühnenpräsenz der erfahrenen Protagonisten entgegenkommt. Dazu zählen Adrian Sâmpetrean als markant singender Ramfis und der äußerst dominant und gewaltbereit auftretende Boris Statsenko als Amonasro sowie die in der Mittellage samtweich, in den Höhen jedoch recht scharf klingende Susan Maclean als Amneris. Die junge Eva Bodorová überzeugt als Priesterin mit einer stimmlich exzellenten Leistung. Warum Himmelmann gerade sie so exaltiert über die Särge kriechen lässt, leuchtet allerdings nicht ganz ein. Ein Sonderlob verdient der Chor der Deutschen Oper am Rhein.

In Kauf nehmen muss man freilich, dass hier christliche Priester und Bischöfe ägyptische Götter anbeten, auch wenn sich die Hartherzigkeit und Bigotterie der antiken Priesterkaste durchaus auf christliche Vertreter übertragen lässt. Aber ganz rund gehen Übertragungen von Stoffen in andere Zeiten und Regionen halt nie auf.

Eine stark verinnerlichte, auf äußeren Glanz verzichtende und etwas einseitig als Kammerdrama ausgerichtete Aida in durchwachsener musikalischer Verpackung: Dem Großteil des Düsseldorfer Publikums gefällt’s. Nur wenige Buh-Rufe mischten sich in den freundlichen, wenn auch nicht euphorischen Beifall.

Pedro Obiera





Fotos: Matthias Jung