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Fakten zur Aufführung 

DER ROSENKAVALIER
(Richard Strauss)
25. Januar 2015
(Premiere)

Oper Dortmund


Points of Honor                      

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Zwischen Andacht und Poltergeist

Mein Gott! Es war nicht mehr als eine Farce!“ Ein wenig mehr als die desillusionierte Marschallin sieht Jens-Daniel Herzog am Ende schon in Richard Strauss‘ Komödie Der Rosenkavalier. Aber nicht viel mehr, letztlich sogar weniger. Die Ansicht des Librettisten Hugo von Hofmannsthal, „der wirkliche und dauernde Erfolg“ setze sich „zusammen aus der Wirkung auf die groben und feinen Elemente des Publikums“, animiert den Regisseur zu einer Lesart, die das Stück in Szenen stiller, regungsloser Andacht und Ausflüge in die Welt derb-drastischer Komik zerreißt. Dass Hofmannsthal unter „groben“ Elementen etwas anderes verstehen dürfte als Anleihen aus dem Poltergeist, wird in Herzogs Produktion nicht klar. Die dicksten Fragezeichen hinterlässt sein Rollenbild des Barons Ochs. Bei Hofmannsthal eine keineswegs unsympathische oder bösartige Ausgeburt rustikal-animalischer Sinnlichkeit. In Dortmund präsentiert er sich als hinterhältiger Filou, der den Degenstich Octavians durch einen Weinfleck simuliert und der am Ende nicht den geringsten Rest an Mitgefühl auslöst. Damit verliert er seine Bedeutung als zweiter großer, leicht tragisch umflorter Verlierer des Stücks neben der Marschallin.

Dabei hätten sich aus Herzogs durchaus interessanten Typisierungen der Gegenspieler, allen voran denen der Sophie und natürlich Octavians, reizvolle Entwicklungen ergeben können. Octavian nimmt als Marianderl im dritten Akt schnell die Zügel in die Hand, führt Ochs an den Hosenträgern wie einen Hund vor, um ihn ans Gemäuer zu binden und lässt auch noch die Peitsche schwingen. Und auch Sophie entwickelt nach ihrer anfänglichen schüchternen Scheu vor dem hochgeborenen Herrn eine kratzbürstige Zickigkeit, so dass es noch vor dem Ehevertrag zu handfestem Zoff kommt.

Erstaunlich starr zeichnet Herzog dagegen die Marschallin, die in statuarischer Würde mehr oder weniger kluge Worte zur Zeit, zum Alter und anderen Fragen absondert, mit denen sich unterbeschäftigte Luxus-Weibchen die Langeweile vertreiben. Ein wenig Freude kommt im ersten Akt auf, wenn sie sich mit ihrem jugendlichen Liebhaber im Bett tummeln darf. Da flackert hautnahes sinnliches Leben auf.

Zu einer subtilen Verschmelzung der beiden „groben und feinen“ Ebenen kommt es nicht. Und so klug Mathis Neidhardts aufwändige Bühnenbilder anmuten, auch sie führen ein isoliertes Dasein ohne engen Bezug zur Inszenierung. Immerhin deutet er raffiniert die Dekadenz der verwöhnten Gesellschaft an. Im ersten Akt sehen wir ein „mordsmäßig“ großes Bett in edlem Gold vor einem funkelnden Sternenhimmel. In Faninals Stadtschloss gerät die Welt bereits aus den Fugen. Ein kühles, modernes, noch unfertiges Interieur in einem bedenklich schiefen Gemäuer. Die Überreichung der „Silbernen Rose“ findet auf dem schmucklosen Dach statt. Denkt man sich Pfoten und Schnurrhaare dazu, das schmucke Paar könnte in diesem Ambiente jeder Cats-Aufführung zur Ehre gereichen. Das Wirtshaus schließlich stellt eine völlig auf den Kopf gestellte Ruine wie nach einem Bombeneinschlag dar. Das Final-Terzett wird schmucklos vor dem geschlossenen Vorhang gesungen, bevor sich Octavian und Sophie in das goldene Bett begeben, aus der Ferne wehmütig betrachtet von der Marschallin unter dem güldenen Sternenzelt. „So sind’s halt, die jungen Leut‘.“ Und die älteren auch.

Mit Samthandschuhen geht auch Gabriel Feltz am Pult der nur mäßig präzise aufspielenden Dortmunder Philharmoniker mit der Partitur nicht um. Orchestral schlägt er recht derbe Töne an und überspielt etliche feine Details, so dass sich ein leuchtender Klang nicht so recht einstellen will. Immerhin überflutet das Orchester die Stimmen nicht. Umso unverständlicher, dass die Sänger auch an entscheidenden Stellen von der Regie unnötig in den Hintergrund gedrängt werden.

Das bereitet nicht nur Emily Newton als Marschallin gelegentlich Probleme. Auch wenn Christiane Kohl für die Premiere in dieser Partie vorgesehen war, kann von Ersatz nicht die Rede sein. Die Amerikanerin hat als Alternativbesetzung die gesamte Vorbereitung mitgetragen und behauptet sich in der Premiere beachtlich. Sie verkörpert eine erfreulich jugendliche Marschallin ohne matronenhafte Fettansätze, singt mit schlankem, wenn auch nicht übermäßig großem Ton und trifft den introvertierten Nerv der Monologe gesanglich vorzüglich. Schade, dass sie von der Regie ein wenig vernachlässigt wird und unnötig statisch agieren muss.

Die Leistung von Emily Newton kennzeichnet das hörenswerte vokale Niveau der ganzen Produktion. Trotz einer leichten Indisposition vermag Karl-Heinz Lehner die vielschichtige Partie des Ochs von Lerchenau stimmlich filigraner zu erfassen, als er es szenisch darf. Bemerkenswert die profunde Tiefe seiner Stimme und die Wendigkeit in den höheren Registern.

Makellos und mit warmen Mezzo-Tönen empfiehlt sich Ileana Mateescu als Octavian. Federleichte Höhen, eine etwas harte Mittellage und viel Temperament lässt Ashley Thouret als selbstbewusste Sophie hören. Mit seinem markanten Bariton verleiht Sangmin Lee dem Faninal markantes Profil. Ohne schrille Töne kommt Stephanie Weiss als Leitmetzerin aus, und die Geschlossenheit, mit der die vielen kleineren Rollen besetzt sind, unterstreicht den Ensemblegeist der Dortmunder Oper.

Keine rundum geglückte Produktion. Aber eine diskussionswürdige Auseinandersetzung mit dem problematischen Stück auf mehr als achtbarem gesanglichen Niveau und ein paar szenischen Meriten. Das Publikum reagiert überwiegend begeistert. Lediglich für das szenische Team mischen sich einige wenige Buh-Rufe in den Jubel.

Pedro Obiera

 

Fotos: Thomas Jauk