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Fakten zur Aufführung 

CONCERTO ITALIANO
(Rinaldo Alessandrini)
26. Juni 2015
(Einnaliges Gastspiel)

Klangvokal,
Bonifatiuskirche Dortmund

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Ich brenne vor Liebe

Die St. Bonifatius-Kirche im Zentrum Dortmunds ist ein architektonisches Unikum, das nach kriegsbedingter Beschädigung in der jetzigen Form um 1951 neu erbaut wurde. Mit seinem Mix unterschiedlichster Bauelemente ist es stilistisch nicht festzulegen. Was erwartet man auch mitten im „Pott“ aus einer Zeit, in der Zechen noch ausgebaut wurden und der Himmel über Hoesch sich glühend rot färbte? Aber die Kirche bietet Raum, viel Platz und Nebenräume für ausgefallene Veranstaltungen wie ein Madrigalkonzert – und das kaum zwei Kilometer von der Westfalenhalle entfernt, einem weltlichen Tempel.

Madrigale, uns als religiöse wie als weltliche  Gesänge bekannt, schildern am Übergang von der Renaissance zum frühen Barock in mehrstimmigen Vokalsätzen Szenen und Themen des alltäglichen Lebens vor allem im nördlichen Italien. Die Kulisse zu seiner Tragikomödie Il pastor fido findet Battista Guarini im städtisch-höfischen Leben des Herzogs zu Mantua, greift aber in seinen Madrigalen auf Figuren der griechischen Mythologie zurück wie etwa auf die „grausame Amaryllis“, die Tochter des Pan. Als vierzehnjährige Braut soll sie durch eine ungewollte Hochzeit der Staatsräson geopfert werden, findet aber schließlich doch den Weg zu ihrem geliebten Hirten Mirtillo. In dem verwirrenden Spiel  der Götter, Götterkinder und weiterer „Mischwesen“ findet Monteverdi reichlich Stoff, um in ausschweifenden Bildern seiner musikalischen Phantasie Raum zu geben. Ob es die „tränenreichen Geister der Unterwelt“ sind oder ob „Himmel und Amor“ angerufen werden, diese so völlig irdischen Gefühle will Monteverdi in Töne umwandeln. In genialer Unbekümmertheit und Souveränität lässt er die strengen Regeln der Kontrapunktik hinter sich und beginnt einen Kompositionsstil, aus dem sich später die Oper als eigenes Genre entwickeln soll. Sein Frühwerk Favola in Musica gibt davon schon ein klingendes Beispiel. Und klingen soll seine Musik, sollen die Kantaten und Madrigale im Musik verwöhnten Zentrum des Herzogs von Mantua, der neben Monteverdi noch zahlreiche andere Musiker und Komponisten um sich scharte. Gleich mehrere von ihnen lieferten Variationen des Madrigals, dem das Concerto Italiano den Großteil seines Madrigalabends widmet.

In der Vokalbesetzung von zwei Sopranen,  einem Alt, zwei Tenören und einem Bass, begleitet von zwei Theorben, präsentiert Rinaldo Alessandrini Madrigale rund um Monteverdis krude Liebesgeschichte der Nymphe Amaryllis und des Mirtillo. Dabei tauchen neben Monteverdis Vertonung zahlreiche Interpretationen und Bearbeitungen des Amaryllis-Stoffes durch Zeitgenossen auf, darunter so bekannte italienische Komponisten des frühen Barock wie Giaches de Wert und Luca Marenzio.

Das karge, hohe Gewölbe der Bonifatiuskirche passt hervorragend zu der eher kühlen Musik der Madrigale. Einem A-capella-Chor ähnlich, präsentieren die wechselnd auftretenden Solisten in klaren musikalischen Linien das Cruda Amarilli und seine diversen Bearbeitungen. Die Sängerinnen und Sänger sind bestens auf einander eingespielt, jede Stimme zeichnet in solistischer Qualität ihre eigenen musikalischen Linien. Die beiden Sopranstimmen, von Anna Simboli und Monica Piccinini gesungen, haben im Fortebereich einige Probleme mit dem zurücklaufenden Hall der Kirche, als ungewöhnlicher Alt überrascht Andrea Arrivabene, die Tenorstimmen sind mit Luca Cervoni und Gianluca Ferrarini, die Bassstimme mit Marco Bellotto bestens besetzt. Craig Marchitelli und Ugo di Giovanni an den Theorben halten den lautenähnlichen Klang ihrer Instrumente hinter den Stimmen zurück, sie bilden einen sanft klingenden, rhythmischen Hintergrund.

Alessandrinis Leitung bleibt zurückhaltend, Solisten und Instrumentalisten sind lange eingespielt und kennen ihre Akzente. Obwohl viele Textpassagen durchaus stark emotional sind, etwa wenn Mirtillo Amaryllis lobt als „weißer und schöner als der schneeweiße Liguster“, aber auch als „fühllose Natter“, bleibt der Gesamteindruck des Abends eher kühl, musikalisch zurück genommen. Sehr viel der Emotionalität ist an die Texte gebunden. Die Besucher sind dankbar dafür, entsprechend den neuen Kompositionszielen der italienischen Meister, dem Text in deutscher Sprache folgen zu können, den das Programmheft bietet. So können sie wenigstens einige Textpassagen grob verfolgen und musikalisch nachvollziehen, wenn „jenes Vöglein…so süß“ singt: „Ich brenne, brenne vor Liebe!“

Die Zuhörer erleben einen hoch konzentrierten Musikabend mit einem Programm, das in dieser Auswahl und Dichte selten zu hören ist. Es weiß zu schätzen, dass ihnen diese anspruchsvolle Musik, aus der einmal die Oper entstehen sollte, vom Concerto Italiano engagiert und in bester Qualität präsentiert wird. Es bedankt sich mit lang anhaltendem Beifall.

Horst Dichanz

 



Fotos: Bülent Kirschbaum