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Spanische Klassik für Kenner
Es sind eher die Komponisten aus Italien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien, deren Werke in unseren Barock-Konzerten aufgeführt werden, spanischen Komponisten begegnet man eher selten. So gibt es gute Gründe dafür, dass das Dortmunder Musikfestival Klangvokal einmal in diese Ecke Europas schaut und dem Dortmunder Publikum ein außergewöhnliches Programm bietet, das zudem noch ausgesuchte Spezialisten vokal und instrumental gestalten. In der Reihe der bunten, vielfältigen Klangvokal-Konzerte, die Musik und Musiker von Korsika bis zur Mongolei nach Dortmund bringen, richtet das aragonische Ensemble Al Ayre Español die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf das Spanien des ausgehenden 17. Jahrhunderts und auf Werke der Komponisten Jose de Torres, Arcangelo Corelli und schließlich Georg Friedrich Händel als dem Jüngsten im Programm. Wie bei vielen Barockkompositionen mischen sich in den Werken religiös-mystische und weltliche Motive des lebensfrohen Treibens an den adligen Höfen.
Das Ensemble Al Ayre Español, 1988 gegründet, pflegt eine Aufführungspraxis, die musikwissenschaftlich vorbereitet der Barockmusik neues Leben einhaucht. Dem Virtuosissimo di Violino Arcangelo Corelli reichen zwei Violinen, ein Cello, eine Violone, das ist eine dem Kontrabass ähnliche Bassgeige, und ein Cembalo, um den hohen Kirchenraum mit kammermusikalisch interpretierten Sonaten und Kantaten zu füllen, in denen sich Bezüge zur Muttergottes und dem Jesuskind ebenso finden wie volkstümliche Seguidillas oder Menuette. Unter der unauffälligen Leitung von Eduardo López Banzo begegnen die Zuhörer einem Kammerorchester, das in ungewohnter Zurückhaltung, doch mit viel Expressivität und Klangvolumen der barocken Aufführungspraxis sehr nahe kommen dürfte. Banzo hält den Klang des von ihm gespielten Cembalo durchweg zurück, der Klang bleibt aber auch im Forte der anderen Instrumente präsent. Den Musikern ist ihre hohe Professionalität, aber auch eine große Musizierfreude anzumerken. Seine internationale Reputation brachte dem Orchester im Jahre 2004 den Premio Nacional de Musica des spanischen Kultusministeriums ein.
Die Sopranistin Raquel Andueza verfügt über eine weiche, ausdrucksstarke Stimme, die auch in den leisesten Passagen noch trägt und in vollem Forte das hohe Kirchenschiff wundervoll füllt. Neben einigen lebhaft vorgetragenen Tänzen wie in Händels Sonata Nr. 5 g moll erklingen in den weiteren Werken volkstümliche Sätze, Rezitative und Arien. Besonders eindrucksvoll gelingt Andueza nach der Pause die Cantada a Nuestra Senora, die getragen ist von viel religiös-romantischer Zuwendung. Erst bei der zweiten Zugabe, bei der die Sängerin den Schlusssatz von de Torres´ Afectos amantes wiederholt, steigert sie ein wenig den Ausdruck und lässt ihr musikalisches Temperament aufblitzen, über das sie zweifellos verfügt und von dem die Zuhörer gern noch mehr gehört hätten. Die begeisterte Kammermusikerin hat inzwischen ihr eigenes Kammermusikensemble und das Plattenlabel Anima e Corpo gegründet.
So erleben die sachkundigen Besucher ein wundervoll intensives, häufig meditativ wirkendes Konzert mit sehr gefühlvollen, bewegenden Passagen, aber auch mit lebensfroh mitreißenden Tanzsequenzen. Das begeisterte Publikum verlässt nach lang anhaltendem Beifall nur ungern diese Aufführung, die ihm einen wunderbaren Abend bescherte.
Horst Dichanz
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