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Fakten zur Aufführung 

MEINE FREUNDIN, DU BIST SCHÖN
(Johann Christoph Bach,
Johann Sebastian Bach)
19. September 2015
(Premiere)

Festival Alte Musik Knechtsteden


Points of Honor                      

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Humorvolle Vergangenheit

Das Kloster Knechtsteden hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Im 12. Jahrhundert wurde das Kloster mit der Basilika St. Andreas erbaut, Ende des 18. Jahrhunderts säkularisiert und schließlich eine Nervenheilanstalt, ehe ein Brand 1869 die gesamte Anlage vernichtete. Ende des 19. Jahrhunderts wieder aufgebaut, wurde sie 1941 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und enteignet. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Kloster wieder in den Besitz des Spiritanerordens über. Seit 24 Jahren steht Knechtsteden für Alte Musik. 1992 gründete Hermann Max das Festival Alte Musik Knechtsteden, das sich seitdem großer Beliebtheit erfreut.

In diesem Jahr steht das Festival unter dem Motto „… und die Moral von der Geschicht‘ …“ – Spott und Humor in Sprache und Musik. Zugegeben, es ist schon eine sehr eigene Art von Humor, die da auf den Programmzettel findet. Das Eröffnungskonzert wird mit zwei Stücken bestritten. Der mit 30 Minuten eher kurze Hochzeitsdialog Meine Freundin, du bist schön von Johann Christoph Bach für Sopran, Alt, Tenor und Bass. Thomas Höft, Leiter des Zentrums für Alte Musik in Köln und zuständig für die inszenatorischen Anteile des Festivals, findet dafür ebenso eine kurzweilige Anmoderation wie für Johann Sebastian Bachs Geschwinde, ihr wirbelnden Winde, einem Sängerwettstreit zwischen Phoebus und Pan. Sieht er inhaltlich durchaus aktuelle Bezüge, bleibt es letztlich bei Alter Musik. Obwohl, ein wenig beschwingter sieht man schon dem Stück entgegen.

Und Höft bemüht sich, mit geringsten Mitteln die klassische Konzertsituation aufzubrechen. Vor dem Altarraum ist eine eher kleine Bühne aufgebaut, auf der auf engstem Raum Solisten, Orchester und Chor Platz finden. Die Solisten werden mit kleinen Accessoires und einer größeren Bewegungsfreiheit ausgestattet. Außerdem ist Mimik und Gestik gefragt. Das sorgt für Auflockerung, findet aber schnell seine Grenzen in der Musik. Und so wiederholen sich nicht nur die Phrasen, sondern auch die Gesten. Trotzdem ist das ein Ansatz, der sich weiterzudenken lohnt. Vermutlich ist da noch mehr die Fantasie der Solisten gefordert. Auch wenn sie sich schon bereitwillig in ihre „Kostüme“ fügen. Ein König Midas mit Krone, Knickerbockers und Ringelstrümpfchen ist da im positiven Sinne schon gewagt. Die Botschaft könnte lauten: Nehmt euch bei aller Professionalität nicht so ernst und lasst uns Spaß haben.

Während die Instrumenalisten sich davon unbeeindruckt zeigen – warum eigentlich? – nehmen Chor und Solisten die Gelegenheit wahr, über die Stränge zu schlagen. Das bekommt beiden Stücken gut, zumal die Sänger in der Sache ernst bleiben. Sopranistin Veronika Winter als Alte-Musik-Expertin bekommt die schnellen Wechsel in den Lagen ausnehmend gut in den Griff. Auch Markus Schäfer findet sich in den Höhenlagen des Tenors gut zurecht. Dass es im Barock generell für die Männer etwas höher zugeht, bereitet auch Tobias Haager keine Schwierigkeiten. David Erler als Altus schon gar nicht, auch wenn hier im schauspielerischen Bereich sicher noch Möglichkeiten nach oben vorhanden sind. Matthias Vieweg verfügt über einen lyrischen Bass, der ihn für die Rolle des Phoebus prädestiniert. Schauspielerisch begeistert am ehesten Bariton Christos Pelekanos, der einen sehr heutigen Pan darstellt. Locker und cool erinnert er an verschiedene Vertreter der Hip-Hop-Szene.

Hermann Max selbst steht am Pult der Rheinischen Kantorei. Mit großer Gelassenheit, aber ausgesprochen umsichtig führt er durch das Geschehen, verlässt sich auf die Leistung seiner Solisten, gibt dabei Chor und Orchester sicheres Geleit.

In der nahezu vollbesetzten Basilika macht sich vergnügte Entspannung breit, die am Ende mit herzlichem Applaus bedankt wird.

Auch für Nicht-Kenner der Alten Musik lohnt in den kommenden Tagen ein Blick nach oder gleich ein Besuch in Knechtsteden. Da stehen neben den King’s Singers das Lustspiel Pimpinone von Georg Philipp Telemann oder auch eine Gregorianische Nacht auf dem Programm. Der musikalische Teil findet seinen Abschluss und vermutlich Höhepunkt in einem Chorabend, der Spezialität von Max. Erst einmal aber finden die Besucher des Eröffnungskonzertes ganz entspannt den Weg durch die Idylle des abendlichen Klosters nach Hause.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Martin Roos