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Fakten zur Aufführung 

LA CLEMENZA DI TITO
(Wolfgang Amadeus Mozart)
15. Januar 2015
(Premiere)

Musikhochschule Detmold


Points of Honor                      

Musik

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Nach der Premiere


Doppelte Belastung: Annika Brönstrup muss nicht nur ihre Prüfung, sondern auch die Premiere der Hochschulaufführung meistern. Da hilft westfälische Gelassenheit und das Wissen um das eigene Können (3'05).


 

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Taschenoper

Fast entschuldigend klingt die kurze, launige Ansprache von Regisseur Thomas Mittmann, der mit Studenten Mozarts große Oper La Clemenza di Tito erarbeitet hat. Doch wirklich groß wirkt das anfangs so gar nicht. Statt wie es zum Ende des Sommersemesters üblich ist, wird nicht im Landestheater der Stadt, sondern im Audienzsaal der Hochschule gespielt. Ein kleiner Saal mit ordentlicher Akustik und knapp hundert Zuschauern. Die Bühne besteht aus drei Podestreihen in unterschiedlichen Höhenstufen und mit schwarzem Boden ausgelegt. Römisch muten nur zwei Säulen an, die aber eh zur Architektur des Raumes gehören. Und das derzeit im Dauereinsatz tätige Orchester der Hochschule wird vertreten durch einen Flügel, an dem sich Helen Mager-Osborne als versierte musikalische Leiterin der Produktion verausgaben kann. Mozarts Opera seria ist auf eine knapp zweistündige Fassung zusammen gestrichen worden. Alles eine Nummer kleiner, wie für eine Handtasche ausgelegt, und dabei ist das ganze doch eine Prüfungssituation für die Mezzosopranistin Annika Brönstrup. Sie und auch die anderen Studenten hätte man gerne in dem großen Rahmen erleben wollen, den die Absolventen im Sommersemester geboten bekommen.

Doch diese Taschenoper hat zugleich auch den Vorteil, dass man die Handlung um den milden Kaiser Titus, der von Lügen und Verrat umgeben ist, in einem intimen Kammerspiel erleben kann. Bei Mittmann verschiebt sich der Fokus der Handlung auf das ungleiche Liebesverhältnis von Sextus und Vitellia, denen er ganz offensichtlich die größte Aufmerksamkeit in der Einstudierung zukommen ließ. Sehr körperbetont und ausdrucksstark bewegen sich die beiden Figuren umeinander. Zunächst ist Sextus ganz offensichtlich von der dominanten Vitellia abhängig. Sehr schön und deutlich wird dann diese emotionale Schräglage erst ausgeglichen, ehe sie zum Ende der Oper in die andere Richtung kippt. Dagegen wirkt der Rest der Einstudierung fast etwas beliebig. Tiefpunkt ist sicherlich der Einsatz des kleinen Kammerchores, der das Finale des ersten Aktes mit Noten in der Hand aus einem Flur heraus in den Saal hinein mitsingt. Marbod Kaiser hat ihn sehr gut darauf vorbereitet. Die Kostüme haben sich die Studierenden selber rollengerecht zusammengestellt. Vitellia im leidenschaftlichen Rot und Servilia im frischen Frühlingskleid heben sich aus der Anzuggesellschaft ab. Trotz reichlich Bewegung unter den Protagonisten kommen aber die Tiefe der Handlung und auch die Entfaltung des restlichen Personals nicht recht zum Vorschein.

Vielleicht liegt es auch ein bisschen daran, dass dem jungen Tenor Xiao Zhang die Toga des Kaisers Titus noch eine Nummer zu groß ist – jedenfalls darstellerisch. Seine Partie ist deutlich gekürzt, aber er wirft sich mit viel Einsatz und einer schönen Stimme in die Rolle, die er schon sehr beachtlich verinnerlicht hat. Respekt! Andrea Drabben hat sich kurzfristig in die Partie des Annius eingearbeitet und singt sich im Laufe der Aufführung immer mehr und mehr frei. Der schön lyrisch singenden Greta Kraushaar fehlt noch ein bisschen mehr Rundung in den Höhen, um die Partie der Servilia ausgereift zu präsentieren – vielleicht ist das aber auch nur das Premierenfieber. Bartolomeo Stasch als Publio ist auch stimmlich ein würdiger Wächter über die römische Sicherheit. Bei seiner markanten Stimme müsste er gar nicht so viel nach unten drücken, um autoritär zu klingen. Auf seine weitere Entwicklung darf man gespannt sein. Passenderweise sind die beiden Sängerinnen, die in ihrem Studium am weitesten fortgeschritten sind, auch die Entdeckungen des Abends. Charlotta Henricson verkörpert die Vitellia mit stimmlicher Leidenschaft, eine echte femme fatale. Zunächst arrogant und rachsüchtig im Tonfall, dann immer mehr und mehr tiefe Gefühle offenbarend. Perfekt das Zusammenspiel mit Annika Brönstrup, die nicht nur die Prüfungssituation meistert, sondern auch die Umstellung auf eine virile, beinahe entfesselte Körpersprache. Ihr prägnanter Mezzo bietet alles, was ein versierter Mozart-Gesang braucht. Schöne lange Legatobögen, saubere Koloraturen und vor allem viel Herzblut. Beide Sängerinnen werden nach ihren Arien mit langem Applaus belohnt.

Es ist sicherlich auch der Verdienst von Mager-Osborne, dass sich die jungen Sänger zu einem Mozart-Ensemble zusammenfügen. Ihre lebendige Begleitung am Flügel und ihre Einsätze sind großartig, die Rezitative könnten noch etwas sängerfreundlicher sein. Am Ende gibt es langen, begeisterten Applaus für alle Beteiligten. Man merkt den Zuschauern an, wie sie mit ihren Freunden, Verwandten und Schützlingen mitgefiebert haben. Für Annika Brönstrup gibt es nicht nur in der Oper ein Happy End. Ihr Sextus wird nicht zum Tode verurteilt, und im echten Leben geht sie mit einer Bewertung von 1,1 aus dem Abend heraus. Herzlichen Glückwunsch.

Christoph Broermann

Fotos: Opernnetz