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Fakten zur Aufführung 

DAPHNE
(Richard Strauss)
16. September 2014
(Premiere am 9. September 2014)

La Monnaie, Brüssel


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Waldwuchs auf dem Börsenparkett

Die 1938 in Dresden uraufgeführte bukolische Tragödie Daphne gehört zu den Höhepunkten der umstrittenen Weltflucht, mit der sich Richard Strauss den von ihm durchaus argwöhnisch, bisweilen auch höhnisch beäugten Entwicklungen unter der braunen Diktatur zu entziehen suchte. Auch wenn er sich zeitweise vor deren Karren spannen ließ, hatte er für das Kunstverständnis der Nazis nur Verachtung übrig. Man kann über die angesichts der brutalen Realität erschreckend harmlosen Opernstoffe die Stirn runzeln oder sie nachsichtig belächeln. Strauss sah in ihnen den heute hilflos anmutenden Versuch, die abendländische Kultur vor dem Untergang zu retten. Und da war ihm jeder antike Stoff recht und in Capriccio sogar die geschmäcklerische Frage, ob denn die Musik oder das Wort in der Oper den Ton angeben sollen.

Daphne , die bizarre Dreiecksgeschichte um das schöne Naturwesen, um das Hirte Leukippos und Gott Apollo mit ungleichen Waffen streiten, gehört in diesen Kontext. Gebettet in eine Musik, die trotz der gewaltigen Orchesterbesetzung zum kammermusikalisch Feinsten, aber auch melodisch und klanglich Süßesten und damit Anachronistischsten gehört, was der Feder des Meisters entstammt. Die orchestralen Wellness-Schauer der Verwandlungsmusik am Ende klingen zu schön, um noch ernst genommen zu werden. Und immer schwingt der Verdacht mit, dass Strauss die verführerischen Kräfte seiner Musik sehr berechnend und wirkungsorientiert einsetzt.

In der neuen Brüsseler Produktion versucht Lothar Koenigs am Pult des recht rau aufspielenden Symfonieorkests van de Munt, den Wohlklang in Grenzen zu halten und entwickelt ein grobes, aufgepuschtes Klangbild, das zu wenig von den Raffinessen der Partitur hören lässt. Schade, dass sich die anmutige und stimmlich vorzüglich besetzte Sally Matthews in der Titelrolle dadurch zu einem forcierten Singen veranlasst sieht, mit dem sie hinter ihren Möglichkeiten bleibt. Der viel zu aufdringliche Orchestersound bringt Eric Gutler mit seiner prächtigen heldentenoralen Stimme dagegen nicht in Bedrängnis. Und Peter Lodahl bietet ihm als Leukippos mit seinem substanzreichen lyrischen Tenor erfolgreich Paroli.

Koenigs und Regisseur Guy Joosten gaben vor vier Jahren einen eindrucksvollen Strauss-Einstand mit der ungleich stärkeren Elektra. Dem Daphne-Stoff interessante Fragestellungen von allgemeinerem Interesse zu entlocken, ist weitaus schwieriger. Ein junges, naturverliebtes Mädchen sieht sich den Avancen eines Hirten und eines Gottes ausgesetzt. Der Gott tötet den Rivalen und Daphne lässt sich von Apollo in einen Baum transformieren. Was sagt uns das heute noch?

Joosten findet einen recht klugen Zugang zu dem antiquierten Stoff, indem er die naive Naturphilosophie der Titelfigur mit der harten, finanzorientierten Welt des Börsenparketts konfrontiert. Ausgedrückt wird dieses Spannungsfeld freilich weniger durch die Regie, sondern vielmehr durch das großartige Bühnenbild von Alfons Flores. Eine kühle Freitreppe, auf der es sich der Geldadel gut gehen lässt und die als Projektionsfläche der eingeblendeten Börsenkurse dient, wird im Laufe des Stücks von den gigantisch wuchernden Ästen eines Baumes erdrückt. Ein Baum, mit dem letztlich Daphne verschmilzt. Großartig illustriert, wenn ihre Gesichtszüge aus dem Astwerk durchschimmern. Die Natur siegt am Ende. Wie schön.

Was die Regie angeht, widersetzt sich dieser Ansatz freilich immer wieder dem Text. Warum Leukippos als Frau auf dem weichenstellenden Fest erscheint, bleibt unbeantwortet. Es sei denn, man begnügt sich damit, dadurch den weichen Leukippos noch stärker vom Mannbarkeitsidol des Apoll zu unterscheiden.

Die Daphne bleibt ein problematisches Stück, auch in der intelligenten Brüsseler Darstellung und in der trotz einiger Einwände immer noch hochwertigen musikalischen Umsetzung. Das Publikum zeigt sich angetan und applaudiert begeistert.

Pedro Obiera

Fotos: Monika und Karl Forster