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Fakten zur Aufführung 

THEBANS
(Julian Anderson)
3. Mai 2015
(Premiere)

Theater Bonn


Points of Honor                      

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Museales Bildungstheater

Die hammerharten Geschichten um Ödipus und Antigone mit allem, was auch Sex-and-Crime-Fans unserer Tage noch fesseln kann, haben nichts von ihrem Reiz verloren. Wenn man sie denn nicht nur als Thriller reflektiert oder zu einer pathetisch-sentimentalen Familien-Saga aufdonnert. Genau das und nicht mehr, den Familienzoff aus dem alten Theben als antike Antwort auf Familienintrigen aus Dallas und Denver lassen der britische Komponist Julian Anderson und sein Librettist Frank McGuinness in harmonischer Eintracht mit Regisseur Pierre Audi in der Oper Thebans ein Jahr nach deren Uraufführung an der English National Opera London vor uns abrollen. Brav erzählte Sagen von Ödipus, Antigone und dem Tod des schwellfüßigen Königs ohne die archaische Gewalt der drei entsprechenden Dramen von Sophokles. Was uns die Mythen heute noch mitteilen, was sie uns mit auf den Weg geben könnten, interessiert das Team nicht. Hier wird der Opernkomponist zum Märchenerzähler, der drei spannende Storys in Töne der 1930-er Jahre taucht. Stilistisch willkürlich gemischt, exakt am Text entlangkomponiert.

Einige Chorattacken im zweiten Teil, wenn die Thebaner den Tod Antigones wie die Juden die Kreuzigung Christi einfordern, lassen eine wenigstens annähernd bedrohliche Klangkulisse erahnen. Ansonsten wird die Verzweiflung des Ödipus und seiner Sippe pathetisch überhöht oder in süßlichem Mitleid sentimental aufgekocht. Wenn der gebrochene Ödipus am Ende, auf Antigone gestützt, in einer unwirtlichen, endzeitlichen Landschaft sein Ende herbeisehnt, glaubt man sich in einer mittelmäßigen Aufführung von King Lear.

Auch wenn man über Parallelen zwischen Sophokles und Shakespeare diskutieren darf, verharrt die ganze Produktion in einer oberflächlich narrativen Reproduktion der bloßen Handlungen. Eine anschauliche Nachhilfelektion in griechischer Mythologie. Nicht mehr.

Musikalisch findet Anderson in keinem Takt zu einer spezifischen oder persönlichen Tonsprache. An die Vertonungen der Stoffe durch Strawinsky, Orff oder Henze, nicht einmal an die von Mendelssohn, darf man angesichts des klingenden Allerleis denken. Auch wenn die britische Moderne nie durch kühnen Avantgardismus hervorgetreten ist: Von dem Gespür Benjamin Brittens, der für jedes seiner Bühnenwerke eine besondere musikalische Sprache gefunden hat, sind Andersons Klangwolken unerreichbar weit entfernt.

Und Pierre Audis Inszenierung sieht man zwar den Vollprofi an, der weiß, wie man Chöre dekorativ in Szene setzt, wie Verzweiflungsausbrüche gestaltet werden können, wie ein zum Tyrann mutierter König à la Kreon aufstampfen muss: Aber auch das alles weist nicht die geringste Spur einer tieferen Deutung auf.

Mit Steinen aufgefüllte Mauern in den Bühnenbildern von Tom Pye lassen ahnen, dass man nicht gemütlich in Theben leben kann. Mehr drücken auch seine Landschaften nicht aus.

Schade für das engagierte Bonner Team mit William Dazeley an der Spitze, der als Ödipus seine Qualen mit einer Intensität zum Ausdruck bringt, dass man sich ihn als grandiosen Amfortas vorstellen könnte. Tiresias als Bass in Frauengewändern findet in Rolf Broman einen Darsteller mit voluminöser Stimme. Peter Hoare bleibt dem Creon an Kaltschnäuzigkeit nichts schuldig. Anjara I. Bartz nimmt man die Verzweiflung der Jocasta stimmlich wie darstellerisch ab und Yannick-Muriel Noah als Antigone erfüllt ihre Aufgaben als Tochter und Schwester mit Inbrunst.

Johannes Pell vermag mit dem Beethoven-Orchester Bonn aus der Partitur herauszuholen, was in ihr steckt. Das ist zwar nicht viel, kann man den Musikern aber nicht anlasten. Die wenigsten streckenweise machtvollen Chorsätze sind beim Chor des Bonner Theaters gut aufgehoben.

Und das Publikum? Den Rang hat man vorsorglich geschlossen und die Lücken im Parkett werden im Laufe der zwei Pausen merklich größer. Am Ende gibt es viel Beifall, wenn auch keine Ovationen, für alle Beteiligten. Die Frage nach dem Sinn des Ganzen kann es damit auch nicht beantworten. Ein etwas schaler Saisonabschluss der Bonner Oper nach so grandiosen Produktionen wie der Salome, Hoffmanns Erzählungen oder Die Winterreise.

Pedro Obiera

Fotos: Thilo Beu