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Fakten zur Aufführung 

LIEDERABEND VON SUMI HWANG UND HELMUT DEUTSCH

26. März 2015
(Premiere)

Theater Bonn


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Prickelnde Kombination

Gab es ein Basketball-Spiel oder gar eine Vollversammlung des Bonner Turnvereins 1860? Anders ist wohl kaum zu erklären, mit welch geringem Interesse die Bonner auf eine „etwas andere Veranstaltung“ in der Oper reagieren. Jung-Sopranistin Sumi Hwang, gerade erst in Bonn in dieser Spielzeit angekommen und bereits in den Opern Rinaldo und Die Perlenfischer auch überregional aufgefallen, zeigt eine andere Fassette ihres Gesangs. Sie tritt bei einem Liederabend auf. An ihrer Seite niemand Geringeres als Helmut Deutsch, einer der berühmtesten Liedbegleiter der Gegenwart. Eine Mischung, die einem nicht jeden Tag geboten wird. Eine Nachwuchssolistin aus dem eigenen Ensemble und ein Pianist, der über jahrzehntelange Erfahrung verfügt, unter anderem an der Seite von Jonas Kaufmann. Auch Intendant Bernhard Helmich lässt sich diese prickelnde Kombination nicht entgehen.

Die Bühne ist mit schwarzem Tuch verhängt. Ein Steinway-Flügel ist aufgestellt. Die beiden Künstler treten auf. Sumi Hwang in karmesinroter Robe mit Trägerchen, Helmut Deutsch im Frack. Mit einer kurz angedeuteten Verbeugung nimmt er am Flügel Platz, während sie kerzengerade vor dem Flügel Aufstellung nimmt. Die Notenblätter werden gerichtet, und schon geht es mit einem durchaus anspruchsvollen Programm los. Lieder von Franz Schubert, Hugo Wolf und Sergej Rachmaninow stehen im ersten Teil auf dem Zettel.

Die Perfektion liefert an diesem Abend erwartungsgemäß der Mann am Flügel. Es zeugt von der Größe des Musikers, dass er mit seinem Schützling mitfiebert, mit höchster Konzentration Lieder begleitet, die er in seinem Leben vermutlich hunderte von Malen gespielt hat. Mit seinem virtuosen Spiel breitet Deutsch für die junge Sopranistin einen Klangteppich aus, auf dem sie sich sicher und behütet fortbewegen kann.

Es geht bei einem Liederabend in den wenigsten Fällen um die Perfektion des Sängers oder der Sängerin. Wer einen solchen Abend als „Bewährungsprobe“ sieht, wird nahezu immer enttäuscht. Aufgabe der Künstlerin ist vielmehr, das Publikum emotional gefangen zu nehmen. Mitzunehmen in entfernte Welten der Poesie und des Wohlklangs. Das erfordert in erster Linie viele Jahre Lebenserfahrung. Technik ist hilfreich, wird aber meist überschätzt. Und es erfordert äußerste Körperbeherrschung, um bei einem Mindestmaß an Bewegungsmöglichkeit ein Maximum an Ausdruck zu erreichen.

Sumi Hwang zeigt mit ihren gerade mal 26 Jahren bei einer ohnehin schon respektheischenden Repertoirefülle vielversprechende Anlagen. Noch muss sie sehr viel Kraft darauf verwenden, Aufregung und Unsicherheit unter Verschluss zu nehmen, viel Technik und Lernaufwand einsetzen, um mit der fremden Sprache umzugehen. Mit zunehmenden Deutsch-Kenntnissen – in diesem Fall ist die Sprache gemeint – wird sie sich auf hohem Niveau noch einmal steigern können. Aber, und das gerät zunehmend in Vergessenheit, gerade darin liegt der Reiz eines solchen Abends für das Publikum. Hier wird es die Entwicklung einer jungen Sängerin im Ensemble verfolgen können, sich dafür begeistern können, von Anfang an dabei gewesen zu sein.

Im zweiten Teil tritt Hwang in schulterfreier, schwarzer Robe mit silbernen Pailletten auf. Ein gut Teil der Anspannung hat sich gelegt. Die sieben frühen Lieder von Berg kommen ihr leicht von den Lippen, und bei den fünf Strauss-Liedern scheint es fast, als wolle sie übermütig werden. Gelingen ihr insbesondere die Lagenwechsel von Anfang an eindrucksvoll, mindert sich das „Lampenfieber-Vibrato“ des ersten Teils auf ein Mindestmaß.

Die Zugaben, die das Publikum fordert, sind selbstverständlich, wie es sich für Profis gehört, vorbereitet und wohlüberlegt. Die Seligkeit von Franz Schubert darf man wohl einer Liebeserklärung an die Stadt gleichsetzen. Das Lied endet mit der Zeile „Bleib ich ewig hier!“. Und auch ein Dank an das Publikum darf es mit der zweiten Zugabe in Form des Strauss-Liedes Zueignung sein. Amazing Grace rundet den Abend, nicht zwingend notwendig, schließlich ab.

Die junge Sängerin hat mit diesem Liederabend viel Mut bewiesen – und die Gunst des Publikums für sich entschieden. Helmut Deutsch unterstützt die Nachwuchskünstlerin, ohne sich dabei in Szene zu setzen. Wer ihn persönlich erlebt, weiß, wie sehr ihm diese Förderung Herzensangelegenheit ist. Das macht ihn so sympathisch. Und Bernhard Helmich? Der Intendant muss trotz vieler guter Ideen und Erfolge in seiner Amtszeit erleben, dass die Hausaufgaben noch nicht gemacht sind. Ein wenig mehr Unterstützung seitens der Bonner Bürger wäre dabei sicher hilfreich.

Sumi Hwang aber hat, so zeigt es der langanhaltende Applaus, ihr Ziel des Abends erreicht: Sie hat die Menschen fasziniert.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Sonostream.tv