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Fakten zur Aufführung 

EIN KÄFIG VOLLER NARREN
(Jerry Herman/Harvey Fierstein)
4. September 2014
(Premiere)

Theater Bonn


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Kein Klischee bleibt aus

Die Erwartungen waren hochgespannt, schwärmen doch die Bonner Musical-Fans noch immer von der ebenso hintergründigen wie quicklebendigen Produktion des Jesus Christ Superstar aus der letzten Spielzeit. Einen hohen Unterhaltungswert garantiert auch Jerry Hermans und Harvey Fiersteins Transvestiten-Komödie Ein Käfig voller Narren, mit der sich zugleich ein Stück Aufklärungsarbeit vermitteln lässt. Schließlich gilt es immer noch, etliche Vorteile gegenüber Schwulen und Transen abzubauen. Das meint auch John Dew, der eine besondere Vorliebe für das Stück hegt und seine Inszenierung als Beitrag zu einer stärkeren Toleranz verstehen will. Zuzutrauen ist das dem Engländer durchaus, auch wenn seine goldenen Bielefelder Zeiten schon länger zurückliegen und seine anschließenden Intendanzen in Dortmund und Darmstadt nicht ganz so glanzvoll verliefen.

John Dew und das Theater Bonn versprechen in Sachen Musical also eine durchaus erfolgversprechende Allianz. Und Dew nutzt seine Erfahrungen für eine flotte Inszenierung des amüsanten Stücks in routiniert professioneller Manier.

An Glitzer und Glimmer, an schönen kitschigen Kostümen und Dekorationen mangelt es bei Heinz Balthes und Julio Viera Vazquez ebenso wenig wie an fetzigen Tanzeinlagen im gängigen Stil Pariser Travestie-Revuen in der Choreografie von Julio Viera Medina. Dass die Tänze teilweise arg tuntig ausfallen, dass die Figuren in überdrehter Turbulenz kein Klischee schwuler Marotten auslassen, damit widerspricht Dew allerdings seiner Intention, den Käfig voller Narren als Plädoyer für Toleranz im Kampf gegen Schwulenfeindlichkeit und die Diskriminierung von Transvestiten zu verstehen. Letztlich bleibt es bei einer immer wieder in die Klamotte abdriftenden Ulk-Nummer, ohne den ernsten Kern des Stücks so richtig zu treffen.

Das betrifft vor allem das Männerballett der respektlos frechen „Cagelles“, die sich zum Vergnügen des Publikum in den zarteren Passagen zu rosaroten Herzen formieren, aber auch die Hauptfigur Albin, die durch überzeichnete Komik für etliche Lacher sorgt, die innere Zerrissenheit und den zarten inneren Schmerz der Figur jedoch allenfalls andeutet.

Zu lachen gibt es also eine Menge, wofür sich das Premierenpublikum dankbar zeigt. Dazu tragen auch die recht originellen Bühnenbilder bei. Kunterbunter Glitzer beherrscht die Revue-Szenen. Die Wohnung Albins und Georges ist mit überdimensionalen Skulpturen und Gemälden knabenhafter griechischer Schönheiten geziert, die freilich später dem Familienfrieden zuliebe tief katholischen Madonnenbildern und anderen Devotionalien weichen müssen.

Die Band La Cage 2014/15 unter Leitung von Martin Grimm verströmt so viel Professionalität und Routine wie der Regisseur. Die gesanglichen Leistungen fallen eher bescheiden aus. Am besten schneidet noch Mark Weigel als Georges ab. Dirk Weiler als Albin alias „Zaza“ versteckt, ganz im Sinne Dews, nicht sein fortgeschrittenes Alter, das der Kabarett-Diva arg zusetzt, muss freilich arg bemüht mit der Feder-Boa wedeln, um dem Publikum zu zeigen, was ein Transvestit ist. Franz Nagler als sittenstrenger Dindon lässt am Ende alle Hemmungen fallen und setzt in aufreizender Damen-Kleidung der Verkleidungs-Klamotte die Krone auf.

Vergnügen bereitet die Produktion, auch wenn sie bei weitem nicht an die Hintergründigkeit und Fantasie von Jesus Christ Superstar anknüpfen kann.

Pedro Obiera

Fotos: Thilo Beu