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Fakten zur Aufführung 

DAS RHEINGOLD
(Richard Wagner)
12. September 2015
(Premiere)

Ruhrtriennale,
Jahrhunderthalle Bochum


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Schauspiel und Musik auf Augenhöhe

Unkonventionell, dekadent, ungöttlich wirkt der Kampf Wotans um seine Macht, seinen Reichtum und sein neues Heim Walhall, welches in reinem Weiß den ganzen Abend hinter dem Orchester über allem unerreichbar thront. Die Erwartungen waren hoch an diesem Abend. Viel Werbung wurde um diese Premiere der Ruhrtriennale gemacht.

Der künstlerische Leiter des Festivals, Johan Simons, führt selbst Regie. Der vielgepriesene Jungstar Teodor Currentzis dirigiert, der im fernen Osten Russlands weit ab des herkömmlichen Klassikzirkus vielbeachtet Opernaufführungen und Festspiele erarbeitet hat. Richard Wagners Rheingold wird am Rhein in einer riesigen, umgestalteten Industriehalle aufgeführt. Alles  Faktoren, die einen besonderen Abend erwarten lassen.

Breit ausladend sitzt das Orchester auf einem Podium, vor sich ist der Rhein angedeutet, im Wasser liegen Fragmente eines herrschaftlichen Palastes, ein Lüster hängt noch von der Wand beziehungsweise ragt aus dem Rhein heraus. Eine verkehrte Welt, durch die Erda, grandios verkörpert von Jane Henschel, während des Vorspiels stapft, um sich dann am Ufer hinzusetzen und den Rest des Abends dort zu verweilen und zu beobachten. Die Rheintöchter liegen als Puppen im Wasser, die die Sängerinnen um und mit Alberich spielen lassen. Schnelle Lust und Begierde werden dargestellt. Dekadenz, Frust, Leere und Gewalt sind die Stilelemete an diesem Abend. So geht es im Himmel an der Pforte zu Walhall weiter.

Freia in Lack-Bustier, Hotpants und Strapsen als Sinnbild der ewigen Lust an der Hundeleine, geführt von Fricka. Aber Simons achtet darauf, dass es nicht übertrieben oder verwerflich wird. Er bespielt die schwierigen Raumverhältnisse perfekt, lässt die Sänger sportlich zwischen den zwei Bühnenebenen vor und hinter dem Orchester hin und her rennen. Es passiert viel, richtiges Handlungstheater mit viel Ausdruck und intensiver Personenführung. Er ergänzt die handelnden Personen um den Diener Wotans, Sintolt, der die Handlung sehr aktiv begleitet und dann zum revolutionären Angreifer des göttlichen und doch so menschlichen Systems mit Gier nach Macht und Gold wird. Während Wotans Abstieg zu den Nibelungen wird ein Stück Sprechtheater, ein Monolog des Dieners mit politischer Propaganda, eingefügt. Die lautstarke, anprangernde Rezitation passt nicht wirklich dazu. Noch dazu zerreißt es den musikalischen Fluss und die aufgebaute Spannung. Die Musiker erheben sich von ihren Plätzen. Mit Hammern gerüstet, gehen sie daran, die Zuschauertribüne symbolhaft zu zerstören. Wie nach der Mittagspause kommen sie gruppenweise wieder und nehmen Platz. Plastisch reißerisch gestaltet der Regisseur die weitere Geschichte, hochstilisiert zum politischen Krimi.

Das wirkliche Ereignis ist Teodor Currentzis. Unprätentiös im langen, schwarzen, kragenlosen Hemd und enger Stretchhose steht der groß gewachsene, schlaksige Mann vor dem Orchester und bannt wie ein Magier seine Musiker. Die sitzen vollkonzentriert an der Sesselkante. Expressiv, detailliert kitzelt er jedes Detail aus den Musikern heraus. Spannungsgeladen wird mit Volumen und Tempi gearbeitet. Am Ende reißt es sie von den Sesseln, und das Finale wird im Stehen gespielt. Dann bricht großer Beifall mit standing ovations aus. Auch für die ausgezeichneten jungen Sänger des Abends, allen voran Mika Kares als Wotan. Sein Bariton ist vollmundig samten erhaben. Leigh Melrose überzeugt mit ausdrucksstarkem Spiel als Alberich, stimmlich fehlt teuflische, giftige Dunkelheit. Frank von Hove und Peter Lobert sind zwei stimmkräftige Riesen mit unterschiedlichem Körperwuchs, Maria Riccarda Wesseling wirkt in ihrer unglücklichen Kleidung von Kostümbildnerin Teresa Vergho als Fricka nie wirklich angekommen, und stimmlich fehlt die Präsenz. Elmar Gilbertsson ist ein frecher überzeugender Mime. 

Der Abend macht Lust auf mehr von Teodor Currentzis. Hier reklamiert ein junger, außergewöhnlicher Künstler einen Spitzenplatz unter den Dirigenten.

Helmut Pitsch

 

Fotos: JU/Ruhrtriennale