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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
16. Oktober 2015
(Premiere am 26. September 2015)

Theater Bielefeld


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In Sarastros Fängen

Volkstümlichkeit und Ernst der Zauberflöte lassen sich ja oft schwer unter einen Hut bringen. Also erzählt man an den meisten Häusern das ganze einfach sehr gradlinig. Ab und an bekommt man dann so eine einfallsreiche Interpretation wie in Münster vorgelegt. Das Theater Bielefeld und die Regisseurin Andrea Schwalbach trauen sich aber einen anderen Weg zu. Natürlich ist der Gedanke, Sarastro zu einem sektenartigen Strippenzieher zu machen, keinesfalls neu, aber in ihrer Geschlossenheit ist diese Regie wirklich einleuchtend.

Es beginnt im giftgrünen Raum von Anne Neuser, eine Art Chillout-Area der 1980-er Jahre. Sarastros Reich wird dominiert von einem kleinen Showtheater und einer kneipenartigen Sitzecke. Mut zur Hässlichkeit wird belohnt und dieses in seiner Geometrie so zerrissene und aussagekräftige Bühnenbild zeigt an, dass hier einiges im Argen ist. Das Gegensystem zu Sarastros Sekte sind drei strickende Hausfrauen, die drei Damen, die nach dem Erlöser angeln. Ihre Königin der Nacht ist nur noch ein psychisches Wrack, ihre zuckenden Arme sind besser festgebunden. Papageno ist nur auf der Suche nach Identität und Weibchen, ständig betonend, dass er nicht weiß, wer er ist, da er sich lieber hinter seinen Federn versteckt. Kein Wunder, dass Sarastros Gesellschaft, diese Hipster unter den Anzugträgern, total fasziniert von diesem Vagabunden sind. Der Despot selbst ist ein abartiger Beobachter, der mit Begriffen wie Menschlichkeit und Weisheit wie auch mit den Menschen nur spielt. Ähnlichkeit mit lebenden Manipulieren ist gewollt. In diesem Umfeld entwickeln sich die vier neuen Marionetten – Pamina, Tamino, Papageno und ein bisschen auch Papagena – weiter.

Erstaunlicherweise erscheint dabei die Oper nicht mal gegen den Strich gebürstet. Im Gegenteil: Mit viel Situationskomik wird Schwalbach auch der heiteren Seite des Werkes gerecht. Aber gleichzeitig bekommt die menschlich-tragische Seite eine gewichtigere Dimension, weil eben das ganze System der am Ende sogar lebensgefährlichen Prüfungen den Zuschauer auch mal schlucken lassen müssen. Durch Eingriffe in die Dialoge werden sie aktualisiert. Immer wieder kommt es vor, dass die Sänger in ihrer Muttersprache losplappern.

Und singen müssen sie in dieser sehr aktionsreichen Inszenierung auch noch. Um es gleich vorweg zu nehmen: Man hat die Zauberflöte sowohl stimmlich als auch musikalisch schon schöner und ausgewogener gehört als jetzt in Bielefeld. Doch wie sich das ganze Ensemble hinter das Projekt klemmt, wie jeder seine eigene Stimme gewinnbringend in das Konzept einbringt, ist beeindruckend. Eine stimmliche Sensation gibt es allerdings auch zu vermelden: Tuuli Takala muss sich zwar bewegen wie eine zerbrochene Olympia-Puppe, singt aber mit dem Strahl der sternflammenden Königin – inklusive aller Spitzentöne, Koloraturen und Emotionen. Sie wäre ein würdiger Gegenspieler zum Sarastro gewesen. Der starke Moon Soo Park verleiht ihm viel herablassende Autorität in seiner begeisternden Stimme. Daniel Pataky singt den Tamino mit lyrischem Feingefühl lustvoll aus. Caio Montero erreicht das Publikum nicht durch Albernheiten, sondern weil er den Vogelfänger so authentisch und lebensnah verkörpert. Ein Charakter zum Mitfühlen. Auch bei Cornelie Isenbürger bekommt der Hörer viel Emotion in einer durchaus hörenswerten Interpretation geboten. Aus dem weiteren Ensemble muss man Yoshiaki Kimura als engagierten Sprecher erwähnen sowie Katja Starke, die als dritte Dame aufhorchen lässt. Der von Hagen Enke einstudierte Chor meistert seinen kurzen Part mit viel Lust am Mitspielen.

Studienleiter Merjin van Driesten dirigiert in dieser Vorstellung die Bielefelder Philharmoniker. Da kommt viel Energie aus dem Orchestergraben, wenn Mozarts Maschinerie erstmal losrattert. Passend zur Inszenierung weiß das Orchester aber auch viele sensible Seiten der Partitur aufzuzeigen.

Vom Publikum gibt es langen und wachsenden Applaus nach der Vorstellung, die man sich konzentriert ansehen konnte. Sicherlich ist sie keine einfache Kost, was auch das Ende belegt. Sarastro entledigt sich endgültig seiner Gegenspieler und wird gefeiert. Tamino und Pamina sind ratlos. Da krabbeln diese horrorhaften drei Clowns, gesungen von Mitgliedern des Knabenchors Gütersloh, aus der Kiste und stricken boshaft grinsend an der nächsten Zukunft. Nach dem Tannhäuser belegt auch die Zauberflöte, dass das Theater Bielefeld für spannendes Musiktheater sorgt.

Rebecca Hoffmann

 





Fotos: Bettina Stöß