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Fakten zur Aufführung 

BONNIE & CLYDE
(Frank Wildhorn)
7. September 2014
(Premiere)

Theater Bielefeld


Points of Honor                      

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Träume verpuffen

Bonnie & Clyde, das mordende Räuberpärchen, hat es in den armseligen 1930-er Jahren der USA zu legendärem Ruhm gebracht. Davon haben die beiden immer geträumt. Er als Enkel im Geiste Billy the Kids, um der Armut im Fahrwasser der Wirtschaftskrise zu entgehen, sie mit gleicher Absicht als Geistesverwandte des damaligen Filmstars Clara Bow. Träume, die im Kugelhagel der Polizei ihr abruptes und blutiges Ende fanden. Angesichts der egoistischen Triebfedern der beiden taugt die Geschichte nicht zu einer romantischen Robin-Hood-Variante, dagegen sprechen allein 14 unschuldige, auf der Strecke gebliebene Opfer. Mit seiner Verbindung von Sex and Crime bietet die Story jedoch genau den Stoff, aus dem viele unserer Filme und mittlerweile auch Musicals gestrickt sind, soweit sie sich nicht dem Mainstream dominierender Fantasy- und Märchenstoffe anschließen.

Das Theater Bielefeld setzt derzeit seine erfolgreichen Bemühungen um das populäre Genre mit der deutschsprachigen Erstaufführung des Musicals mit der Musik von Frank Wildhorn und dem Libretto von Ivan Menchell fort. Und das in einer recht geschickten und milieugetreuen Übersetzung von Holger Hauer. Die überwiegend sehr junge Besetzung, die dem Stück die nötige glaubwürdige Jugendlichkeit verleiht, unterstreicht, wie wichtig die Ensemblepflege für unsere Theater und unseren Nachwuchs ist.

Für Revue-Trubel bietet die Story jedoch keinen Platz. Fetzige Balletteinlagen und glanzvolle Chornummern sucht man vergebens. Trotz der teilweise brutalen Aktionen, die sowohl die Überfälle des Pärchens als auch die Umgangsformen im amerikanischen Knast betreffen, ist das Werk eher als Kammerspiel angelegt. Die Träume der beiden, ihre Erinnerungen und ihre Liebeserklärungen liefern den Stoff der meisten, überwiegend lyrisch gehaltenen Gesangsnummern. Das führt im zweiten Teil zu bisweilen zähen Stockungen, mit denen das blutige Finale hinausgezögert wird.

Dass sich da eine Menge an genre-üblichen Sentimentalitäten breitmacht, das kann auch Regisseur Jens Göbel nicht verhindern, auch wenn er sich um eine eher realistisch-nüchterne Darstellung bemüht. Schwarz-Weiß-Malerei ist seine Sache nicht, Verklärung erst recht nicht. Er verlässt sich mit Erfolg auf die jugendlich-idealistische, letztlich in pure Verzweiflung mündende Ausstrahlung der vorzüglichen Protagonisten und mildert die Vorurteile und Brutalität der Gesellschaft und der Polizei ebenso wenig wie den geschäftstüchtigen und bigotten Hype, mit dem die Verbrecher zu Helden stilisiert werden.

Der behutsame Realismus wird unterstrichen durch das schnörkel- und schmucklose Bühnenbild von Julia Hattstein. Eine triste Bretterwand, die sich flexibel den Szenenwechseln anpassen lässt, trifft den Spießer-Mief der Kleinstadt-Tristesse mit pointierter Präzision. Die subtile Lichtregie tut ihr übriges.

William Ward Murta, der erfahrene Bandleader, führt mit seiner neunköpfigen Live-Band stilsicher, wenn auch stellenweise zu laut durch den zweieinhalbstündigen Abend. Vorzüglich die Besetzung nahezu aller Rollen. Abla Alaoui verkörpert die Bonnie als einen sympathischen, attraktiven, von Jungmädchenträumen bestimmten Teenager, der den eingeschlagenen Irrweg an der Seite Clydes viel zu spät bemerkt. Sie versprüht Bühnenpräsenz und singt zudem noch vorzüglich. Das trifft auch auf ihren Kumpanen Clyde zu, der erheblich mehr kriminelle Energie aufweist. Gleichwohl bleibt er ein junger Mann, der bis zu seinen exzessiven Verbrechen außer verständnisloser Härte auf keinerlei Hilfe hoffen durfte, die ihn letztlich immer stärker in den Strudel der Gewalt getrieben hat. Philipp Büttner erfüllt dieses Rollenprofil mit gleicher Intensität und Klasse wie seine Partnerin.

Auch an den kleineren Rollen ist nichts auszusetzen. Udo Eickelmann als Clydes Bruder und Navina Heyne als dessen Gattin seien hier stellvertretend genannt. Mark Coles mit seiner wuchtigen Erscheinung und Stimme sorgt an zwei Stellen für ein glühendes Gospel-Feeling.

Das Publikum reagierte äußerst begeistert auf die behutsame und hochwertige Produktion.

Pedro Obiera