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Fakten zur Aufführung 

WEIHNACHTSORATORIUM
(Johann Sebastian Bach)
13. Dezember 2014
(Premiere am 4. Dezember 2014)

Berliner Dom


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Weihnachtliches Allerlei

Der Dirigent und Regisseur Christoph Hagel hat sich in Berlin durch zahlreiche Musiktheaterprojekte an ungewöhnlichen Orten einen Namen gemacht. Wobei seine erfolgreichen Mozartinszenierungen im Bodemuseum oder die preisgekrönte Breakdance-Performance Flying Bach zu Bachs Wohltemperiertem Klavier in der Berliner Neuen Nationalgalerie den schönen Nebeneffekt hatten, auch Menschen für Klassik zu interessieren, die nicht zu regelmäßigen Operngängern gehören. 2011 entdeckte Hagel erstmals den ausladenden Berliner Dom als Spielstätte und präsentierte dort szenisch durchaus effektvoll Haydns Schöpfung und zwei Jahre später Bachs Johannespassion. Was also lag näher, als sich passend zur Adventszeit auch dessen Weihnachtsoratorium anzunehmen.

Respekt für das Kantatenwerk zeigt Hagel dabei nicht und kürzt es erst mal auf anderthalb Stunden. In diese komprimierte Fassung packt er allerlei hinein, was ihm zu Weihnachten so einfällt und vermischt es munter miteinander: vordergründig natürlich die biblische Geschichte mit Krippe, herabschwebendem Engel, Hirten und ihren leibhaftig erscheinenden Schafen. Weiter marschieren Weihnachtsmänner und Nussknacker auf, wirbeln possierliche Kinder mit Flügelchen und Nonnen mit bizarren Hauben herum, und last but not least gibt es auch noch sanft-ironische Kritik an Kommerzialisierung und Konsum, wofür ein Geschenkeballett und eine pantomimischer Ehekrach unterm Weihnachtsbaum stehen. Das alles spielt sich im Umkreis des Altars ab, vor dem auch Chor und Orchester gruppiert sind, und weil dieses Weihnachtsoratorium vor allem eine Unterhaltungsrevue sein will, wird hauptsächlich getanzt. Gleich vier Choreografen sind involviert: Norman Beck, Ingo Günther, Aleks Uvarov und Yeri Anarika Vargas Sanchez zeichnen verantwortlich für die Mixtur aus historischem, zeitgenössischem, Standard- und Revuetanz. Das Resultat ist eine bemüht fröhliche Glitzershow ohne jeglichen Tiefgang, die das Deutsche Fernsehballett gemeinsam mit Schülern der Staatlichen Ballettschule Berlin flott über die Rampe bringt . Am schönsten allerdings sind die Szenen ohne große Aktion, bei denen die Innenwände der Kuppel in verschiedenen Farben beleuchtet werden – dann flackert so etwas wie besinnliche Stimmung auf.

Wenig Grund zur Freude macht die musikalische Seite, was nicht nur an der problematischen Domakustik liegt. Von den durch Mikroports verstärkt singenden Solisten, die nur sparsam in die Szene integriert sind, überzeugt allein Marianne Schechtel mit sattem Alt und ebenmäßiger Stimmführung. Goran Cah nimmt zwar mit angenehmem Tenor und geschmeidigen Koloraturen für sich ein, bleibt aber vokal sehr schmal, während sich die Sopranistin Cristiane Roncaglio und der Bass Till Blackwedel Bachs Arien und Duett mit wenig Stilsicherheit annähern. Wenigstens der von Steffen Schubert einstudierte Ernst-Senff-Chor lässt durchgehend homogene Klangkultur hören. Christoph Hagel selbst eilt flink durch die Partitur, ohne den wackeren Berliner Symphonikern besondere Feinheiten abzuverlangen.

Zum Ärgernis wird das Finale der fast ausverkauften Samstagabend-Vorstellung. Denn das Ensemble tritt zum Schlussapplaus schon w ährend des letzten Chorals an, der dadurch wie bei einer Zugabe zerklatscht wird. Das aber ist allem Unterhaltungsanspruch zum Trotz für eine Weihnachtsoratorium-Show kein angemessenes Ende.

Karin Coper

Fotos: Wolfgang Hilse