Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

THE TURN OF THE SCREW
(Benjamin Britten)
19. November 2014
(Premiere am 15. November 2014)

Staatsoper Berlin


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Seelenabgründe

Benjamin Britten, dessen 100. Geburtstag im vergangenen Jahr gefeiert wurde, hat auf Berliner Bühnen Hochkonjunktur. Die Deutsche Oper setzte in den vergangenen zwei Spielzeiten Peter Grimes und Billy Budd auf den Spielplan, die Komische Oper präsentierte A Midsummer night‘s dream, und gerade gastierte das Glyndebourne Festival mit seiner Produktion von The Rape of Lucretia im Haus der Festspiele. Nun zieht die Staatsoper nach und widmet sich der Kammeroper The Turn oft he Screw, die es in Berlin bislang nur in einer Offproduktion zu sehen gab.

The Turn of the Screw erzählt, basierend auf einer Novelle von Henry James, eine Schauergeschichte. Eine Gouvernante erhält eine Stellung auf einem Landsitz, um dort zwei verwaisten Kindern beiseite zu stehen. Die anfängliche Unbeschwertheit im Umgang mit den Geschwistern weicht einer schleichenden Verunsicherung. Die Erzieherin sieht unheimliche Gestalten, hört Stimmen, die von der dort auch lebenden Haushälterin als Geister ehemaliger Angestellter gedeutet werden. Sie verstrickt sich immer mehr in ihre Ängste und tötet, in der Annahme ihn zu retten, am Ende den Jungen. Für den Regisseur Claus Guth, einen Spezialisten für tiefenpsychologische Stückdeutungen, ist die Oper ein gefundenes Fressen. Von Beginn an liegt knisternde Spannung in der Luft, die sich im Bühnenbild von Christian Schmidt widerspiegelt. Alles wirkt unheilschwanger in diesem herrschaftlichen Haus – die überhohen Wände, Fenster und Türen, die spärlich möblierten Zimmer in dunklen roten und schwarzen Farbtönen – das durch stete Rotation immer neue Einblicke in Außen- und Innenräume gibt. Das Ambiente stellt eine ideale Spielfläche für das Psychodrama dar, das Guth ungemein differenziert inszeniert. In seiner Sichtweise sind es keine übernatürlichen Kräfte, die die handelnden Personen beherrschen, sondern seelische Nöte und unausgelebte erotische Wünsche, die sich in einer Katastrophe entladen.

Im Mittelpunkt steht die Gouvernante, die sich anfänglich zu ihrem Auftraggeber, dann zu dem pubertierenden Miles hingezogen fühlt, dadurch in einen Ausnahmezustand gerät und immer weniger zwischen Realität und Wahn unterscheiden kann. In Emma Bell steht eine Protagonistin zur Verfügung, die ihre Rolle völlig verinnerlicht hat. Wie sich die Sopranistin in eine schizophrene Welt hineinsteigert, dabei vokal und durch ihre Körpersprache jede Regung auszudrücken weiß, ist von beklemmender Intensität. Marie McLaughlin verleiht der Haushälterin mit stimmlicher Souveränität eine Zwielichtigkeit aus einschüchternder Autorität, lesbischer Begierde für die neue Kollegin und Fürsorglichkeit für ihre Zöglinge. Von großer Faszination ist das natürliche Spiel der beiden Kinder Flora und Miles, von Sónia Grané mit berückender Reinheit und von Thomas Lichtenecker mit balsamisch strömendem Countertenor gesungen. Beiden gelingt beeindruckend die Gratwanderung zwischen naiver Unschuld und aufreizend pubertärer Sinnlichkeit. Nur aus dem Off, aber durchaus eindringlich, erklingen die Geisterstimmen von Anna Samuil und Richard Croft.

Für eine den Bühnengeschehnissen ebenbürtige orchestrale Untermalung sorgen die dreizehn Instrumentalisten der Staatskapelle. Angestachelt vom empathisch dirigierenden Ivor Bolton, setzen sie das Geflecht aus subtilen solistischen Passagen und atmosphärischer Klangballung meisterhaft um.

In der gut besuchten zweiten Aufführung werden am Ende alle Beteiligten lange gefeiert.

Karin Coper

Fotos: Monika Rittershaus