Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

THROUGH ROSES
(Marc Neikrug)
13. Februar 2015
(Premiere)

Staatsoper Berlin


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Gefangen in der Erinnerung

Es gibt einige Versuche, die unfassbare Auschwitz-Tragödie auf die Musiktheaterbühne zu bringen, doch nur zwei haben Nachhaltigkeit bewiesen: die große Oper Die Passagierin von Mieczysław Weinberg und Marc Neikrugs 50-minütiges Monodrama Through Roses, das seit seiner Londoner Uraufführung 1980 von vielen Bühnen nachgespielt wurde. Anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers ist es nun auch in der Werkstatt der Berliner Staatsoper zu sehen.

Ein Geiger erinnert sich: an seine Gefangenschaft in Auschwitz, als er sowohl für sterbende Häftlinge als auch für Aufseher spielen musste, aber auch an die Zeit davor, als er noch ein vielversprechender Violinist war. Seine Gedanken an die von ihm interpretierten Werke und die Umstände, unter denen er sie vortragen musste, quälen ihn, sind aber gleichzeitig ein Versuch, mit dem erlittenen Trauma fertig zu werden.

Nico Çelik vertraut ganz der großen Ausdruckskraft seines Protagonisten Udo Samel und inszeniert das beklemmende Stück angenehm unaufdringlich, ohne es jedoch an realistischer Deutlichkeit fehlen zu lassen. Dazu trägt die suggestive Raumgestaltung von Stephan von Wedel bei, die sofort Assoziationen an Judentransporte und Lageratmosphäre herstellt. Soldatenmäntel baumeln beiderseitig längs von der Decke herab, grelle Hängelampen strahlen Kälte aus.

Die Zuschauer betreten den Theatersaal durch einen Eisenbahntunnel und setzen sich auf die im ganzen Raum verteilte Bänke. Gleise teilen den Saal in zwei Hälften, sie münden in einen weiteren Tunnel, in dem manchmal zwei Mädchen, vermutlich die Töchter des Kommandanten, auftauchen und den namenlosen Geiger verspotten. Das ist eine der entwürdigenden Situationen, die sich im Kopf des Musikers eingebrannt haben. Doch vor allem peinigen ihn die Rückblicke auf sein musikalisches Wirken in guten und schrecklichen Zeiten, für die die disparaten Musiksplitter und Tonfolgen und die verfremdeten Klassikzitate von Bach und Wagner, von Volksliedern und Wiener Walzer stehen – der von Marc Neikrug komponierte Klangteppich, den der Dirigent Felix Krieger und acht Instrumentalisten der Staatskapelle hochkonzentriert ausbreitet, veranschaulicht den emotionalen Ausnahmezustand des Geigers und seine quälende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und dem Heute.

Der bedeutende Schauspieler Udo Samel hat sich mit beklemmender Intensität auf die Rolle eingelassen. Seine Darstellung überzeugt durch die leise Eindringlichkeit, mit der er spricht, und die zurückhaltende Mimik und Gestik. Wenn er nur stumm am Eingang steht oder sich angesichts der wachsenden Verzweiflung auf dem Boden krümmt – das erschüttert mehr als laute Ausbrüche.

Erst zögernder, dann sehr herzlicher Applaus in der ausverkauften Premierenvorstellung.

Karin Coper

Fotos: Vincent Stefan