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Fakten zur Aufführung 

TARQUIN
(Ernst Krenek)
19. April 2015
(Premiere)

Staatsoper Berlin


Points of Honor                      

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Aufstieg und Fall eines Diktators

Der 1900 in Wien geborene Komponist Ernst Krenek, der mit Jonny spielt auf eine der erfolgreichsten Opern der 1920-er Jahre schuf, emigrierte 1938 nach Amerika, weil die Nationalsozialisten seine Werke als „entartet“ diffamierten und ihre Aufführungen verboten. In den USA entstanden vier Bühnenstücke in englischer Sprache, drei Einakter und die umfangreichere Kammeroper Tarquin, mit der er auf die politischen Verhältnisse in seiner Heimat reagierte.Übrigens nicht zum ersten Mal. Schon 1926 nahm sich Krenek in der Kurzoper Der Diktator politischer Willkür im Gewand einer Eifersuchtstragödie an. Tarquin schildert, wie sich ein junger Mann zum Diktator entwickelt, während sein Schulfreund und das von beiden geliebte Mädchen Corinna in den Widerstand gehen. Als der Despot ihretwegen zur Einsicht kommt, wird er getötet. Sein Nachfolger steht schon bereit. Tarquin warursprünglich für das Vassar College, wo Krenek lehrte, gedacht, kam dort aber nur auszugsweise zur Aufführung. Erst 1950 erlebte das in den 1940-er Jahren geschriebene Werk in Köln seine deutschsprachige Premiere.In der Neuproduktion der Werkstatt der Berliner Staatsoper ist es fast ungekürzt auf Englisch zu hören.

Regisseurin Mascha Pörzgen siedelt Tarquin in einem Labor an. Zur Verdeutlichung der Handlung führt sie als neue Figur eine die Vorgänge erklärende Leiterin des folgenden Experiments ein. Das Publikum selbst, das am Eingang grüne Kittel anziehen muss, nimmt als Beobachter daran teil. Es sitzt wie in einem Hörsaal an den Längsseiten des Raumes, den Johannes Gramm in aseptischem Weiß ausgeschlagen hat. Doch die zu Beginn spannende Versuchsanordnung funktioniert nur teilweise, weil sich im zweiten Teil handlungsarme, allegorische Zwiesprachen häufen. Dass die Aufmerksamkeit trotzdem nicht nachlässt, liegt an den sechs wunderbaren Solisten des Opernstudios. Sie singen Kreneks auf Zwölftontechnik basierende Musik mit einer Mühelosigkeit und Souveränität, die ihre Vertracktheit vergessen lässt. Der noble, charismatische Bariton Maximilian Krummen, die mit Innigkeit und berückenden Höhen glänzende Sónia Grané, die beiden Tenöre Stephen Chambers und Jonathan Winell und der bassgewaltige Grigory Shkarupa bilden ein großartiges Ensemble. Zu ihnen gesellt sich Annika Schlicht, die als Auftakt und Epilog drei eingefügte Lieder Kreneks vielschichtig interpretiert. Und auch die sechs Instrumentalisten der Staatskapelle unter der Leitung von Max Renne leisten Großartiges: durch ihr bemerkenswert klangschönes Spiel und die gestochen scharfe Akzentuierung der hochkomplexen Partitur.

Das Publikum verfolgt mit großer Konzentration den nahezu drei Stunden dauernden Abend und dankt allen Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall.

Karin Coper

Fotos: Vincent Stefan