Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

IM FELD #4: SALON Q
(Georg Nussbaumer)
11. September 2015
(Premiere)

Acker Stadt Palast Berlin


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Hirschgeweih als Bogen

Erst einmal muss der Zuschauer über die Bühne gehen, um an die Hocker und Bierbänke zu gelangen, die sich U-förmig entlang den schwarz-behangenen Wänden befinden. Die Musiker des Streichquartetts sind schon da, stimmen sich ein – auf dem Boden oder auf der Kante des quadratischen Podiums sitzend, ihre Instrumente zirpend. In bester musikalischer Salontradition fängt ein wild-mähniger Moderator in feschem Anzug und mit Fliege an, über die Ursprünge des Streichquartetts zu erzählen, dass zu Zeiten Haydns alles „wie in einem Malbuch vorgegeben war“. Das Quartett, allesamt mit Kopfhörer, fängt an zu spielen. Eine sexy Lady in rotem Hosenanzug mit auffälliger Sonnenbrille führt Ihren Hund – pardon, ihre Geige, Gassi. Über Stock und Stein und Hirschgeweihe. Die bislang monochromatischen Glissandi des Streichquartetts bauen sich zum Crescendo auf, wenn die Lady mit einem Hammer ihre Geige zerschmettert und anschließend penibelst Stück für Stück identifiziert. Das ist die erste von mehreren Szenen, die über die Geschichte des Streichquartetts sinniert, deren Tradition und Avantgarde, Schafsdärme, Pferdehaar und Reibelust.

Die etwa 70-minütige Performance, die aus Aktionen, Installationen, Texten, Bildern und Videos rund um das Streichquartett besteht, ist eine Verdichtung und Neuinterpretation des Werkes von Georg Nussbaumer. Das wurde 2010 bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführt, in einer 14 (!) Stunden langen Performance. Wer auf die Idee kam, die Hirschgeweihe als Bögen zu benutzen, bleibt dem Zuschauer verborgen. Das Resultat ist ein eher dumpfer, rauher, kratzender Ton. Diese Attribute sind nicht unangenehm, nur etwas gewöhnungsbedürftig. Es macht Spaß, die diversen visuellen und historischen Zitate zu entdecken – die Lady entpuppt sich als Yoko Ono, die Cellistin wird zur Personifizierung von Man Rays Photos und so weiter.

Evan Gardner, eigentlich als Komponist bekannt, gibt mit Salon Q sein Regiedebüt. Er setzt sich durchaus amüsant mit der Geschichte des Streichquartetts in den diversen Bildern auseinander, bis hin zur Gegenwart mit E-Gitarre, Bass, Schlagzeug und den Beatles.

Die Mitglieder des Streichquartetts – Patrick Schleuter und Mia Bodet an der Violine, Louis Bona mit der Viola und Nora Krahl am Cello – entwickeln eine subtile Persönlichkeit während des Stückes, durchaus im Zusammenhang mit gängigen Klischees. Nolundi Tschudi gibt eine perfekte Yoko Ono ab – distanziert, selbstverliebt und mit aufgetragener Sinnlichkeit. Etwa wenn sie in erotischer Genauigkeit die Funktionsweise einer „Arschgeige“ beschreibt.

Mit wenigen Mitteln gelingt es Martin Miotk, eine weltengroße Bühne und Kostüme auf gefühlten 15 Quadratmetern zu zaubern. Unterstützung bekommt er von den teils realistischen, teils abstrakten Videoprojektionen von Swen Erik Scheuerling und Camila Puls de la Cruz.

Der Hinterhof einer ehemaligen Schokoladenfabrik entpuppt sich als sinniger Standort für das Ensemble Opera Lab Berlin. Hier wird das Wort „Opera“ eher in der italienischen Definition von „Werk“ eingesetzt. Mit Oper im traditionellen Sinn hat das Ensemble nichts gemeinsam. Eher mit künstlerischer Kreativität und zeitgenössischem Musiktheater, wie schon bei der Zusammenarbeit mit der Staatsoper Berlin in der Produktion von Macbeth von Salvatore Sciarrino im vergangenen Jahr bewiesen. Salon Q ist das vierte Stück in der sechsteiligen Musiktheaterreihe Im Feld. Der Reaktion des Publikums nach zu urteilen, darf man auf die weiteren zwei Episoden gespannt sein.

Zenaida des Aubris

Fotos: Elena Panouli