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Fakten zur Aufführung 

PUNCH AND JUDY
(Harrison Birtwistle)
23. Mai 2014
(Premiere am 16. Mai 2014)

Staatsoper Berlin


Points of Honor                      

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Grell-böses Kasperletheater

Im Juli 2014 feiert Harrison Birtwistle, einer der profiliertesten britischen Komponisten der Britten-Nachfolge, seinen 80. Geburtstag. Er hat sich besonders mit Bühnenwerken hervorgetan, deren Inhalt meist auf historischen oder mythologischen Stoffen beruhen. In Berlin waren im letzten Jahrzehnt zwei seiner Opern zu erleben: 2008 brachte die Kammeroper The Io Passion heraus und davor, 2000, wurde das musikalische Bibeldrama The Last Supper unter der Leitung von Daniel Barenboim in der Staatsoper unter den Linden uraufgeführt. Nun, anlässlich Birtwistles rundem Ehrentag, spielt sie im Schillertheater auch seinen Bühnenerstling Punch and Judy, allerdings nicht im großen Haus, sondern in der experimentierfreudigen Werkstatt nebenan. Das Stück, dass bei seiner Uraufführung 1968 beim Aldeburgh-Festival für einen Skandal gesorgt hatte und als Gastspiel vor 30 Jahren auch in Berlin zu sehen war, kann angesichts der gezeigten Grausamkeiten, selbst wenn sie grotesk überspitzt verpackt sind, auch heute noch verstören. Denn bei Punch and Judy handelt es sich um eine bitterböse Harlekinade, in der von der männlichen Titelfigur – vergleichbar dem deutschen Kasperle – viel und besonders bestialisch gemordet wird. Gleich zu Beginn trifft es sein Baby, dann die Ehefrau und später den Chorführer Choregos. Doch was so brutal beginnt, endet in märchenhafter Harmonie. Die Toten werden wieder lebendig und Punch findet bei seiner Wunschfrau Pretty Polly ein neues Liebesglück.

Zart gesotten darf man trotz des versöhnlichen Schlusses allerdings nicht sein. Gerade der Säuglingsmord am Anfang, von Regisseur Derek Gimpel drastisch in Szene gesetzt, ist nur schwer zu ertragen. Doch insgesamt erweist sich die Inszenierung als grotesker Bilderbogen voller skurriler Einfälle, die zwar nicht immer verständlich sind, aber durch Fantasiereichtum in den Bann ziehen. Als Kontrast zur blutrünstigen Handlung passt die schlichte Ausstattung von Christoph Ernst. Auf der weiß ausgeschlagenen, im Hintergrund von einem farblosen Vorhang begrenzten Bühne befindet sich nicht mehr als ein wenig Küchenmobiliar und eine Sitzecke. Nur die schrillen Kostüme sorgen für kräftiges Kolorit.

Das sechsköpfige Ensemble ist absolut homogen. Es wird angeführt von Richart Suart, einem der momentan herausragenden britischen Charaktersänger, der in der leichten Muse genauso zu Hause ist wie in der zeitgenössischen Oper. Er beherrscht mit großer Präsenz, wendiger Körpersprache und ausdrucksvoller Mimik das Geschehen. Und wie wandlungsfähig er ist: Einmal lässt ihn Gimpel agil herumtollen, dann fast übergangslos in berühmten Posen historischer Personen erstarren. An seiner Seite machen drei Sänger aus dem Opernstudio beste Figur: Annika Schlicht gibt eine Judy mit profundem Mezzosopran, Maximilian Krummen einen Chorführer mit imposantem Bariton und Jonathan Winell einen Richter mit glasklarem Tenor. Und auch die zwei weiteren, bereits arrivierten Solisten sind hervorragend. Terry Cook führt einen potenten Bassbariton vor, während Hanna Herfurtner mit mühelosen Spitzentönen und Koloraturen brilliert.

Am Pult des auf der seitlichen Empore postierten Orchesters verlangt Dirigent Christopher Moulds den Instrumentalisten ein hohes Maß an Präzision und rhythmischer Strenge ab. Sie erfüllen die beträchtlichen Anforderungen der knallbunten, vielschichtigen Musik, die teilweise in unbequeme Lagen führt, mit uneingeschränktem spielerischen Können.

Der Applaus in der gut besuchten Werkstatt ist stark und lang anhaltend.

Karin Coper

Fotos: Vincent Stefan