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Fakten zur Aufführung 

ORFEO
(Claudio Monteverdi)
5. Juli 2015
(Premiere am 1. Juli 2015)

Staatsoper Berlin, Schiller-Theater


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Orfeo tanzt

Vor zehn Jahren eroberte sich Sasha Waltz mit Purcells Dido und Äneas die Opernbühne. Ihre erste Musiktheaterinszenierung überhaupt, die sie an der Berliner Staatsoper herausbrachte, war ein Triumph, der sich in vielen Wiederaufnahmen fortsetzte und es sogar bis in die riesige Waldbühne brachte. Seitdem hat sich die Choreografin zunehmend mit der Operngattung auseinandergesetzt und ihre Idee, Tanz und Gesang miteinander zu verzahnen, weiter entwickelt. Nach viel Zeitgenössischem, darunter der äußerst bildkräftigen Matsukaze von Toshio Hosokawa, wendet sich Sasha Waltz mit Monteverdis Orfeo wieder der Historie zu. Nach der Premiere letzten September in Amsterdam und Stationen in Luxemburg, Bergen und Lille erreicht die Koproduktion jetzt die Staatsoper im Schillertheater.

Im ersten Akt tollen junge Menschen über die Bühne, deren Boden Alexander Schwarz mit einem hellen Holzboden ausgekleidet hat. Der Hintergrund ist durch Drehwände begrenzt, hinter dem erst ein idyllischer Waldprospekt zu sehen ist, der sich später zum nebelverhangenen Unterweltshimmel wandelt. Die Frauen tragen luftige Sommerkleider, die Männer Anzüge. Sie feiern die Hochzeit zwischen Orfeo und Eurydike, spielen mit Blumen, wirken unbeschwert. Es ist ein fröhliches, unbeschwertes, wie improvisiert und spontan wirkendes Happening, das Waltz inszeniert und das sich im Finale beim beschwingten Ensembletanz, in den auch die Instrumentalisten einbezogen werden, noch ausgelassener fortsetzt. Einen starken Kontrast dagegen bilden die in Grau- und Schwarztönen gehaltenen Szenen in der Unterwelt, die Waltz formal strenger, aber auch choreografisch fordernder gestaltet. Die Formationen der Schatten, das Duo zwischen Proserpina und Pluto oder Orfeos Gang zurück zur Erde – das sind Szenen von eindringlicher Wirkung.

In Orfeo geht Sasha Waltz einen Schritt weiter als bisher. Sie lässt nicht nur die Sänger tanzen, sondern auch die Tänzer singen. Und tatsächlich fügen sich diese – es sind Mitglieder aus ihrer Kompagnie sasha waltz & guests – ganz natürlich in Monteverdis affektgeladene Musiksprache ein, so wie sich auch die Sänger Waltz‘ Bewegungsvokabular reibungslos zu Eigen machen. Sogar das beidseitig der Bühne sitzende, fabelhafte Freiburger Barockconsort, von Torsten Johann mit Energie und Sachverstand angeleitet, integriert sich, wenn vom Instrument her möglich, in die fließenden Bewegungen, ohne dass das Musizieren darunter leidet.

Georg Nigl ist ein charismatischer Orfeo, dessen expressiver, mitunter bis an die Grenzen gehender Gesang nicht nur den Unterweltshüter Caronte, sondern auch das Publikum bewegt. Mit Lucia Mancini, Anna Lucia Richter, Konstantin Wolff und Douglas Williams sind Könner der Alte-Musik-Szene aufgeboten, für die Chorszenen das ungemein flexible und souveräne Vocalconsort Berlin. Für die schönste und nobelste stimmliche Gestaltung, vereint mit Ausdruckstiefe und würdevoller Erscheinung, aber sorgt Charlotte Hellekant in der Doppelrolle als Botin und Hoffnung.

Großer Applaus und standing ovations in der trotz der brütenden Hitze ausverkauften Staatsoper. Sasha Waltz kann zufrieden sein, denn dieser Orfeo ist nach Berlioz‘ Romeo et Juliette an der Deutschen Oper bereits ihre zweite erfolgreiche Großproduktion in dieser Spielzeit in Berlin.

Karin Coper

Fotos: Monika Rittershaus