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Fakten zur Aufführung 

MOSES UND ARON
(Arnold Schönberg)
24. April 2015
(Premiere am 19. April 2015)

Komische Oper Berlin


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Der Chor ist der Star

An der Komischen Oper Berlin nimmt seit Beginn der Intendanz von Barrie Kosky die jüdische Musiktradition der Hauptstadt einen wichtigen Platz in der Spielplangestaltung ein. Dafür stehen nicht nur die Ausgrabungen früherer Erfolgsoperetten, sondern in dieser Saison auch Arnold Schönbergs Moses und Aron. Mit dem ab 1923 in Berlin komponierten zweiaktigen Torso gedenkt das Opernhaus zudem des 70. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz.

Moses und Aron ist ein Werk der Gegensätze: einerseits theologischer Diskurs, andererseits großes Operndrama. Der glaubensstarke, aber ungelenke Moses, der den einzig wahren, aber unsichtbaren Gott sucht, kontrastiert mit dem wortmächtigen Demagogen Aron, der der Ungeduld des Volkes mit der Erschaffung eines Ersatzgötzen in Form des Goldenen Kalbs begegnet. Bei Regisseur Kosky treten die ungleichen Brüder als abgehalfterte Zauberer auf, die das Volk mit Kunststücken zu unterhalten versuchen, was Aron besser gelingt als der bisweilen noch übende Moses. Was folgt, ist ein aus vielen Puzzleteilen jüdischer Geschichte und Kultur zusammengesetzter Flickenteppich. Mit Teppichen ist auch die ansonsten schmucklose, terrassenförmig ansteigende Bühne von Klaus Grünberg ausgelegt. Sie sind ein wichtiges Requisit in dieser assoziationsreichen Inszenierung, die mit Anspielungen und Querverbindungen nur so wuchert. Da wird Warten auf Godot als Metapher für die Suche nach einem Gott zitiert; da marschieren jüdische Geldleute mit Riesenköpfen und Hakennasen auf, wie man sie aus Nazikarikaturen kennt; da werden Sigmund Freud, Fritz Lang und Theodor Herzl als Kameramänner beim Filmen der Orgie um das Goldene Kalb gezeigt – und damit wird auch auf Schönbergs Kinoleidenschaft verwiesen. Das Gelage selbst artet in einem Pogrom aus. Das Volk trägt Puppen in traditioneller jüdischer Kleidung vor sich her, beginnt sie zu zerstören und errichtet am Ende mit den Gliedern einen Leichenberg. Es ist der Berg Sinai, von dem Moses nicht herab-, sondern aus dem er heraussteigt und sich in einen Teppich gehüllt niederlegt. Auf seinen Körper sind die Gebote blutrot in hebräischer Schrift gemalt.

Was diese dichte Regiearbeit aber vor allem zum außergewöhnlichen Ereignis macht, ist die phänomenale Chor-Choreografie, die jede Reaktion in treffende Bewegungen und Haltungen umsetzt. Der für seine Spielfreudigkeit bekannte Chor der Komischen Oper, der vom Vocalconsort Berlin verstärkt wird, leistet einmal mehr Unglaubliches. Denn er agiert nicht nur mit einem Körpereinsatz sondergleichen, sondern singt dabei die komplizierte Zwölftonmusik wie selbstverständlich, bis in die höchsten Höhen klangschön und dazu auch noch textdeutlich. 100 Proben sollen dafür angesetzt worden sein: das Ergebnis ist ein Triumph für das zusammengewachsene Gesangskollektiv und seinen Leiter David Cavelius. Inmitten dieser Gemeinschaft stehen sich mit Robert Haywards Moses und Andreas Conrads Aron zwei charismatische Singdarsteller gegenüber: ersterer durch verinnerlichten Sprechgesang, der zweite durch expressive Tenorattacken. Nicht zuletzt beeindruckt die orchestrale Leistung. Vladimir Jurowski am Pult legt die musikalischen Strukturen offen, macht aber ebenso hörbar, wieviel Klangfarbenpracht und Sinnlichkeit in Schönbergs Partitur steckt.

Jubel am Ende der pausenlosen Vorstellung. Sie ist nahezu ausverkauft, wie auch die kommenden Aufführungen. Die Berührungsängste vor Schönberg sind weniger geworden.

Karin Coper

 

Fotos: Monika Rittershaus