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Fakten zur Aufführung 

GIULIO CESARE IN EGITTO
(Georg Friedrich Händel)
6. Juni 2015
(Premiere am 31. Mai 2015)

Komische Oper Berlin


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Kleopatra als Domina

Ob dieses Stück zur Erfolgswelle der Komischen Oper beitragen wird? Vielleicht braucht man ja eine Ausnahme, um die Regel zu bestätigen. Dafür könnte diese Produktion gut herhalten. Händel hat Helden zu Menschen gemacht und sie dennoch der strammen Dramaturgie der Barockoper angepasst: Rezitativ gefolgt von Affektarien, die üblicherweise Rache, Wut oder Liebe ausdrücken.  Das ist heutzutage nicht leicht nachzuvollziehen und inszenieren.

Es gehört sicherlich zu einem der ältesten Inszenierungstricks, die Handlung in die Zeit der Komposition – 1724 – zu verlegen. Aber Regisseurin Lydia Steier belässt es nicht dabei, sondern mischt eifrig im stilistischen und psychologischen, Freudschen Trauma-Topf herum. Der Grund der ganzen Misere liegt in der Kindheit, in der Tolomeo schon Kleopatra bedrängt hat, zumal zur Zeit der Hochzeit und Krönung der zehn Jahre alte Tolomeo nicht der hochintelligenten und hübschen 18-jährigen Schwester Kleopatra gewachsen ist. Sie hat ganz andere Pläne. Und damit setzt eine der berühmtesten Liebes- und Intrigengeschichten der Welt ein, samt Randgeschichten von Rache, Folter, Mord und Totschlag. Steier lässt sogar Kleopatra als verlebte Frau mit der Schlange an der Brust gleich mehrmals in stummer Vorahnung ihres Endes über die Bühne schreiten.

Die Regie beschränkt sich im Wesentlichen auf ein unentwegtes Herumpoltern auf der knarzenden Bühne. Nur kein Stillstand, auch während einer der schönsten Arien der Kleopatra muss sich das Bühnenbild mehrmals parallel verändern, damit das Auge des Publikums keine Sekunde zur Ruhe kommt. Anstatt der grandiosen Musik von Georg Friedrich Händel Raum zur Entfaltung zu lassen und dem Zuschauer Gelegenheit zu geben, diese zu genießen, muss es durchweg ein ständiges Kommen und Gehen, Rauflaufen und Runterspringen geben, welches leider zu keinem besseren Verständnis des Werkes führt.

Es sind dann doch eher die Kostüme von Ursula Kudrna – ein Stilmix von Barock und Rokoko bis hin zu Domina-Stiefeln und Hollywood-Goldlurex – die zur Aufschlüsselung des emotionalen Zustandes der Protagonisten beitragen. Gewaltig die szenischen Bauten von Katharina Schlipf mit ihren Bühnenportal hohen Räumen und dem unechten, taxidermischen Großeinsatz von drei lebensgroßen Krokodilen, zwölf überdimensionalen Hirschgeweihen, einem weißen Siegerpferd und einem Geparden. Vielleicht gehört das menschliche Oktett von Bühnenmusikern mit mysteriösen Schneckenfühlern, die aus den einheitlich grauen langen Haaren herauswachsen, auch dazu.

Zwar ist es nicht das erste Mal, dass die Hauptrolle mit einem Bariton – anstatt einem Countertenor – besetzt wird, aber abgesehen davon, dass Dominik Köninger eine strahlende männliche Präsenz auf der Bühne zeigt, bleibt die Antwort auf die Frage des Warums offen. Da ist die Kleopatra von Valentina Farcas schon eher differenzierter und subtiler, sowohl in ihrer Darstellung wie den vokalen Phrasierungen. Anna Bernacka gibt überzeugend einen verzogenen, Möchtegern-Machthaber Tolomeo ab. Von der restlichen homogenen Besetzung ist der rachesüchtige Sesto von Theresa Kronthaler besonders hervorzuheben, nicht nur wegen ihrer physischen Agilität – mit nach hinten und nach oben gestreckten und verbundenen Armen eine Arie zu singen, ist eine echte Folter. Auch der warme Mezzo von Ezgi Kutlu als seine stolze römische Mutter ist beeindruckend. Der zum Ensemble gehörende Bariton Günter Papendell, hier in der Nebenrolle des verliebten Foltermeister Achilla, sticht mit seiner schön timbrierten Stimme deutlich hervor. 

Insgesamt ist das Dirigat von Konrad Junghänel streckenweise sehr langatmig, aber das exzellent spielende Orchester lässt diese erfolgreiche Oper von Händel in seiner ganzen musikalischen Schönheit letztendlich erstrahlen. Und das wird dann im Schlussapplaus vom Publikum auch gewürdigt.

Zenaida des Aubris

 

Fotos: Iko Freese