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Fakten zur Aufführung 

DINORAH
(Giacomo Meyerbeer)
1. Oktober 2014
(Premiere)

Deutsche Oper Berlin


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Von Schätzen und Ziegen

Der 1791 geborene Opernkomponist Giacomo Meyerbeer war ein Kosmopolit. Seine beispielhafte Karriere führte ihn nach mäßigen Anfangserfolgen in Berlin, München und Wien zunächst nach Italien, wo er mit mehreren Werken im frühen Belcanto-Stil reüssierte. Der ganz große Erfolg stellte sich nach seinem Umzug nach Paris ein, wo er das Genre der Grand Opéra mit Robert le diable, Les Huguenots, Vasco da Gama, L‘ Africaine und Le prophéte zur Blüte brachte. Im 20. Jahrhundert wurde es still um Meyerbeer, zumal in Deutschland, wo der jüdische Komponist nach 1933 nicht mehr gespielt werden durfte. Doch inzwischen ist der Deutsch-Franzose wieder im Kommen. Nicht nur große, auch mittlere Häuser trauen sich an Meyerbeer heran, wie jüngst Erfurt mit Robert le Diable und Braunschweig in dieser Saison mit Le prophéte. Vorreiter der Wiederbelebung war John Dew, der in den 1980-er Jahren in Bielefeld dem Propheten und der Afrikanerin eine neue Chance gab. Der Regisseur bescherte auch der Deutschen Oper Berlin 1987 eine hinreißende Hugenotteninterpretation. Fast dreißig Jahre später startet das Haus anlässlich des 150. Todestages eine Großoffensive in Sachen Meyerbeer: Von der Spielzeit 2015/16 an werden mit Ausnahme von Robert le Diable die drei Grand Opéras szenisch erarbeitet. Als Auftakt aber gibt es – wegen der Erneuerung der Bühnenmaschinerie in der Philharmonie – erstmal konzertant die zur Gattung der Opéra Comique gehörende Dinorah ou Le Pardon de Ploërmel.

Das im dörflichen Milieu angesiedelte Stück handelt von der Ziegenhirtin Dinorah, die glaubt, von ihrem Verlobten verlassen worden zu sein, und darüber verrückt wird. Der aber jagt einem imaginären Schatz nach, bei dessen Suche die verwirrt umherirrende Braut lebensgefährlich verletzt wird. Das läutert den Geliebten, Dinorah erwacht aus ihrem Wahn und die Hochzeit kann stattfinden. Die inhaltlich so naive wie absurde Oper ist auf der Bühne kaum noch denkbar. In Deutschland gab es nur einmal, 2000 in Dortmund, eine szenische Produktion, wiederum in der Regie von Dew, der die Handlung als Traum der Titelheldin deutete. In der Deutschen Oper nun vertraut man der alleinigen Wirkung von Meyerbeers Partitur, die in der ungekürzten Ursprungsfassung von 1859 erklingt.

Dinorah ist keine auftrumpfende Oper mit Pomp und dramatischem Furor. Ihr Reiz liegt in der lyrisch-pastoralen Grundstimmung, den feinsinnigen Melodien und der atmosphärischen Orchestrierung, und er entfaltet sich in der musikalisch überzeugenden Wiedergabe durch die Künstler der Deutschen Oper aufs Schönste. Patricia Ciofi ist eine zarte Dinorah, die ihre Partie mit viel vokaler Raffinesse angeht und auch szenische Bewegung mitbringt, wenn sie etwa das Podium verlässt und im Saal nach ihrer Ziege sucht. Ihre gesangliche Stärke liegt in den zahlreichen Pianoschattierungen und im verinnerlichten Ausdruck, wobei die Brillanz, namentlich in der berühmten Schattenarie, nicht zu kurz kommt. An ihrer Seite erweist sich Etienne Dupuis mit gut durchgebildetem, stilsicher strömendem Bariton als adäquater Verlobter Hoël. Mit wendigem Tenor und viel darstellerischer Verve macht Philippe Talbot aus dem Corentin eine köstliche Buffofigur. In den vier Nebenrollen stellen Elbenita Kajtazi, Christina Sidak, Seth Carico und Gideon Poppe die hohe Qualität des Ensembles unter Beweis. Der von William Spaulding einstudierte Chor der Deutschen Oper unterstreicht wieder einmal seine Extraklasse: in schönster homogener Klangfülle, wie auch im berückenden, fast unhörbaren Pianogesang im finalen Marienhymnus. Dem Dirigenten Enrique Mazzola macht die Beschäftigung mit Meyerbeers Partitur sichtlich Spaß, der sich hörbar auf das fabelhaft mitgehende Orchester der Deutschen Oper überträgt. Detailfreudig werden Gewitter-, Natur- und pastorale Stimmungen gezaubert und schönste Klangfarben beschworen. Einen ganz großen Auftritt haben die fünf Hörner, wenn sie im dritten Akt mit famoser Sicherheit zur Jagd aufblasen.

Die Besucher in der sehr gut gefüllten Philharmonie spendeten nach drei Stunden reichlich Beifall, der sich bei Patricia Ciofi mit vielen Bravos mischte. Dem Anschein nach ist die Zeit für Meyerbeer also tatsächlich wieder reif. Denn der Publikumszuspruch war nicht nur für das Konzert groß, sondern spiegelte sich auch im Interesse für das flankierende dreitägige Symposium wider, das die Deutsche Oper unter dem Titel Europa war sein Bayreuth mit vielen renommierten Wissenschaftlern veranstaltete.

Karin Coper

Fotos: Bettina Stöß